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Berufsbildung im Wandel

Die Berufsbildung verändert sich aufgrund der Digitalisierung und des tiefgreifenden Wandels der Arbeitswelt. Die Kaufmännische Grundbildung wird reformiert, die höhere Berufsbildung passt sich den neuen Gegebenheiten an. Wir zeigen, was sich ändert und lassen Lernende zu Wort kommen.

Wenig Freizeit im M-Profil

Adriana Stacher

Adriana Stacher hat sich bewusst für das M-Profil entschieden, auch wenn sie dadurch grosse Teile ihrer Freizeit opfert. Man habe aber auch viele Freiheiten, wie man etwas lernen oder ein Thema im Rahmen einer Arbeit angehen möchte, erzählt sie. «Wir dürfen uns praktisch immer einbringen – und wenn wir irgendwo nicht weiterkommen, sind die Lehrer für uns da.» Positiv findet sie auch ganz praktische Aspekte, etwa dass der Laptop mitgebracht werden darf. Andernfalls hätten sie noch mehr Bücher, die sie an einem Schultag mitschleppen müssten. Weniger Freude hat sie, wenn die Lehrer eine Prüfung extra schwierig machen, um auf den Abschluss vorzubereiten. Weil die Vornoten ebenfalls mitzählen, senkt das den Schnitt im Qualifikationsverfahren. «Der Druck ist allgemein sehr hoch, da man bestimmte Noten erreichen muss, um im Profil zu bleiben. Wenn dann viele Prüfungen gleichzeitig anfallen, ist das ein zusätzlicher Stress, der nicht unbedingt nötig wäre.»

Bei der Bank – Adriana Stacher macht die Lehre bei der Credit Suisse – fühlt sie sich gut aufgehoben. Während die HR-Mitarbeitenden die Lernenden während der ganzen Zeit betreuen, sind die Berufsbildner innerhalb der Abteilungen jeweils für ein Semester zuständig. «Der Austausch mit verschiedenen Ansprechpersonen finde ich sehr wertvoll. Ich habe festgestellt, dass sie auch bei schwierigen Themen zuhören und wenn nötig Massnahmen einleiten.» Adriana Stacher interessiert sich nebst dem Bankwesen für die Psychologie. In welche Richtung es sie letztlich verschlägt, oder ob es sogar eine Kombination davon sein könnte, weiss sie noch nicht. Dass das KV so oder so eine gute Basis ist, dafür ganz genau.

«Wir dürfen uns praktisch immer einbringen – und wenn wir irgendwo nicht weiterkommen, sind die Lehrer für uns da.»
Adriana Stacher

Verschiedene Einblicke haben geholfen

Carole Bylang

Carole Bylang war sich nicht von Anfang an sicher, ob das KV die richtige Ausbildung ist. Heute, nach zwei absolvierten Lehrjahren und einem Zwischenjahr in den USA, weiss sie aber: «Für mich hat es absolut gepasst.» Auch, dass sie mit der Credit Suisse eine Grossfirma als Lehrbetrieb gefunden hat und so mit jedem Semester in eine neue Abteilung wechseln konnte. «Ich habe Eindrücke in Bereiche wie Kundenberatung, Marketing oder Sanktionierung erhalten – das war einfach enorm abwechslungsreich und hat mir ein Stück weit auch aufgezeigt, wo meine Interessen liegen.» Insbesondere während der Schulferien, in denen sie voll im Geschäft arbeitete, habe sie vertieft in die Abteilungen hineinschauen können. «Ich habe es auch sehr geschätzt, wie offen ich jeweils empfangen wurde und mich so rasch in die unterschiedlichen Teams eingliedern konnte.»

Breit und vielfältig ist auch der schulische Teil. Gerade in Bezug auf die Allgemeinbildung hätte es der 19-Jährigen gefallen, wenn sie bei einigen Themen tiefer hätten gehen können: «Technik und Umwelt hatten wir ein Jahr während zwei Lektionen. Angesichts des Klimawandels hätte ich beispielsweise gerne noch mehr über die Atmosphäre erfahren.» Auch für Politik hat sie sich in Iowa unter der Ära Trump stärker zu interessieren begonnen. Allgemein habe sie in dieser Zeit viele Zusammenhänge entdeckt. Mittlerweile fällt es ihr leichter, Verknüpfungen herzustellen und Fakten zu kombinieren. Das will sich die angehende Kauffrau in Zukunft zunutze machen: Nach dem Lehrabschluss im nächsten Sommer würde Bylang gerne im Client Management weiterarbeiten und sich mittelfristig auf ein berufsbegleitendes Studium vorbereiten. Was, lässt sie sich im Moment noch offen. Denn auch dafür hat sich das KV gelohnt: Die Möglichkeiten sind fast endlos.

«Technik und Umwelt hatten wir ein Jahr während zwei Lektionen. Angesichts des Klimawandels hätte ich beispielsweise gerne noch mehr über die Atmosphäre erfahren.»
Carole Bylang

Nach Auslandjahr gut zurückgefunden

Elena Bücheler

«Ich habe bei der Swiss Life eine super Lehrstelle gefunden», schwärmt Elena Bücheler. Während der Lehre hat sie in verschiedenen Abteilungen Erfahrungen gesammelt, darunter auf der Generalagentur Uster im Aussendienst, bei der Tochter Swiss Life Select in Zug – aber auch am Hauptsitz im Binz Center in Zürich. Interesse und Eigeninitiative haben ihr Türen geöffnet und Chancen ermöglicht. So konnte die 19-Jährige beispielsweise einen Grossanlass mitorganisieren und anschliessend vor Ort miterleben, wie dieser vonstatten ging. «Das war für mich ein Highlight!», erzählt sie. Ein weiterer Höhepunkt war das Auslandjahr: Nach dem ersten Lehrjahr erhielt Elena Bücheler die Gelegenheit, in Neuseeland eine Highschool zu besuchen und bei einer Gastfamilie zu leben. Dort wurde sie schnell selbstständig und entwickelte sich ganz grundsätzlich weiter.

Zurück in der Schweiz haben ihr die Lehrpersonen geholfen, sich im Schulstoff wieder zurechtzufinden und einzugliedern. An der KV-Lehre schätzt Elena Bücheler die Flexibilität und Breite. Vieles könne man später im Leben noch lange gebrauchen, wie etwa das erworbene Know-how bezüglich Finanzen. Deshalb ist sie mit ihrer Berufswahl bis jetzt glücklich.

Schwierig wurde es manchmal nur, wenn viele Prüfungen gleichzeitig anstanden. Das könnte man ihres Erachtens verbessern, und Elena Bücheler wüsste auch wie: «Ein Kalender pro Klasse könnte doch die Prüfungen anzeigen, damit alle Lehrpersonen den Überblick haben.» So liessen sich Häufungen vermeiden – und die Lernenden könnten sich besser auf die einzelnen Tests vorbereiten.

«An der KV-Lehre schätze ich die Flexibilität und Breite.»
Elena Bücheler

Bis zu sieben Prüfungen pro Woche

Silvan Studer

Der Weg ins KV war bei Silvan Studer gewissermassen vorgespurt, weil es im Gymnasium stockte. Im Nachhinein hat er sich als das Beste erwiesen, was passieren konnte: «Die Gymijahre waren für mich nicht verloren, weil ich das Wissen daraus mitnehmen konnte. Das M-Profil fällt mir jetzt vergleichsweise leicht.» Engpässe gab es bloss letztes Semester, als die Klassen wegen Corona nur alle zwei Wochen vor Ort Schule hatten. In den Präsenzwochen standen jeweils bis zu sieben Prüfungen an, erzählt Studer.

Dass die Lehrpersonen immer wieder den Praxisbezug suchen und aktuelle Beispiele in den Unterricht integrieren, findet er gut. Vom aktuellen Aktienkurs über die Inflation in anderen Ländern bis hin zu Praxisarbeiten hätten sie schon vieles thematisiert. Letztes Semester führten sie im Rahmen einer Gruppenarbeit vier Wochen lang ein fiktives Unternehmen. «Es war spannend, die gelernte Theorie so in die Praxis umzusetzen und zu sehen, wie unsere Entscheide direkte Auswirkungen in der Praxis haben.»

Der praktische Teil bei der Anwaltskanzlei Schellenberg Wittmer hat Silvan Studer weiter aufgezeigt, was in der Arbeitswelt zählt. «Ich habe beispielsweise gelernt, genau zu arbeiten», erzählt er, «und mich im Diskutieren geübt – wobei ich unter den Anwälten natürlich meist den Kürzeren zog!» Mit der Zeit hat Silvan Studer gemerkt: Wirtschaftsthemen machen ihm Spass. Stand heute wäre deshalb ein Studium der Betriebsökonomie auf seiner Wunschliste ganz oben. Während er die Theorie an der HWZ vertieft, möchte er am liebsten 80 Prozent arbeiten und so auch im Berufsleben weiter Fuss fassen. Auch diesbezüglich trauert er der klassischen akademisch-orientierten Ausbildung, die der gymnasiale Weg vorgesehen hätte, nicht nach. «Den Praxisbezug möchte ich wirklich nicht mehr missen!»

«Ich habe beispielsweise gelernt, genau zu arbeiten»
Silvan Studer

01.12.2021

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