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Future Skills: Die Lebenskompetenzen für eine ungewisse Zukunft
Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten braucht es, um in einer schnelllebigen Welt und auf einem dynamischen und zunehmend digitalisierten Arbeitsmarkt zu bestehen? Mit dieser Frage beschäftigen sich unter anderem Staat, Bildungsinstitutionen und Zukunftsforscher:innen. Eine eindeutige Antwort gibt es nicht – aber die Richtung ist klar.
Nichts ist so ungewiss wie die Zukunft. So liesse sich der Stand der aktuellen Welt- und Wirtschaftslage in einem kurzen Satz zusammenfassen. Die Welt ist im Wandel. Künstliche Intelligenz, Informationsüberfluss, Klimawandel, Krieg und der demografische Wandel führen zu grosser Unsicherheit in Bezug auf die Zukunft.
Die Zukunft lässt sich nicht in Zahlen fassen
Um auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft zu bestehen, müssen sich Arbeitnehmer:innen entsprechende Kompetenzen aneignen. Zu diesen «Future Skills» gibt es viele Studien. Sie fokussieren auf Trends und nehmen an, dass sich diese gleich weiterentwickeln. Doch zur Zukunft gibt es keine Zahlen, Prognosen sind schwierig und viele Fragen sind empirisch nicht zu beantworten. Auch können Zukunftsstudien keine unerwarteten Ereignisse berücksichtigen. Trotzdem bieten sie eine gewisse Orientierung.
Die «Future of Education and Skills 2030»-Initiative der OECD etwa untersucht, welche Fähigkeiten und Kompetenzen Schüler:innen bis zum Jahr 2030 benötigen, um in einer sich schnell verändernden Welt erfolgreich zu sein. Der Bericht betont die Bedeutung von sozialen und emotionalen Kompetenzen neben den traditionellen kognitiven Fähigkeiten. Zudem wird die Rolle der Bildungssysteme hervorgehoben, die Schüler:innen darauf vorbereiten sollen, komplexe Probleme zu lösen und in einer vernetzten Welt verantwortungsbewusst zu handeln.
Future Skills: Bildung ist die Basis
Die GDI-Studie «Future Skills: Vier Szenarien für morgen und was man dafür können muss» schlägt vor, nicht von der Zukunft, sondern von mehreren «Zukünften» zu sprechen, und skizziert vier solche Szenarien für die Welt im Jahr 2050. Die Verschiedenartigkeit der Szenarien «Kollaps», «Gig-Economy-Prekariat», «Netto-Null» und «Vollautomatisierter KI-Luxus» legten den Schluss nahe, dass es unmöglich sei, Kinder und Jugendliche auf die Zukunft vorzubereiten, so die Studie. Doch bei aller Ungewissheit sind Bildung, der Zugang zu Wissen und lebenslanges Lernen die notwenige Grundlage für eine spätere Arbeitsmarktfähigkeit.
Fähigkeiten unabhängig von Beruf oder Branche
Arbeitnehmer:innen brauchen heute grundlegende Fähigkeiten, unabhängig von Beruf oder Branche, sogenannte «transferable skills», um auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen und auch persönlich für die Zukunft gewappnet zu sein. Um flexibel auf verschiedene Zukünfte reagieren zu können, müssen wir lernen, unsere Lebens- und Arbeitsweise neu zu denken. Denn die wenigsten von uns verrichten heute noch die gleiche Arbeit wie unser Vater oder unsere Grossmutter. Doch was bedeutet es, in Szenarien zu denken und gleichzeitig Fähigkeiten zu entwickeln, die Szenario-unabhängig funktionieren?
Die McKinsey-Umfrage «Defining the skills citizens will need in the future world of work» (2021) nennt vier breite Kategorien von Fähigkeiten, denen sich wiederum 13 konkrete Skills unterordnen lassen: kognitive, digitale, zwischenmenschliche und Selbst-Management-Fähigkeiten (vgl. Grafik).
Auch in der Folgestudie des World Government Summit gemeinsam mit McKinsey von 2023 («The Skills Revolution and the Future of Learning») bleiben diese vier Kategorien relevant. Als zentrale Kompetenzen wird neben der Anpassungs- und Lernfähigkeit, dem kreativen und kritischen Denken, der sozialen und emotionalen Intelligenz, der Resilienz und dem Stressmanagement die technologische Kompetenz besonders hervorgehoben: In einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt sind fundierte Kenntnisse in Bereichen wie Datenanalyse, Programmierung und Künstlicher Intelligenz unerlässlich. Arbeitnehmer:innen müssen in der Lage sein, neue Technologien zu verstehen und anzuwenden, um produktiv zu bleiben.
Unter die Kategorie Lernfähigkeit fällt denn auch die Selbstkompetenz, welche nicht zuletzt bei den kaufmännischen Berufen einen wichtigen Stellenwert einnimmt, wie die HWZ-Studie «Betriebswirtschaftliche Berufsbilder 2030» aufzeigt.
Gemeinschaftssinn, Eigenantrieb, Selbstwirksamkeit
Sichtet man die Inhalte der Weiterbildungsangebote und betrachtet die Modelle aus den Skills- und Zukunftsstudien, so zeichnet sich ab: In der Zukunft braucht es neben digitalen Kompetenzen auch Gemeinschaftssinn und Teamarbeit, Flexibilität, Mut zu Neuem (Stichwort Unternehmertum) und Mut zum Misserfolg – letzteres bedingt natürlich eine entsprechende (Unternehmens-)Kultur, welche dies auch toleriert und vorlebt.
Dabei können und sollen Arbeitnehmer:innen die Zukunft aktiv und selbstbestimmt mitgestalten: mit Eigenantrieb, Selbstwirksamkeit und der Fähigkeit, in Gruppen Entscheidungen zu treffen, so der allgemeine Tenor. In Zeiten von New Work braucht es zudem neue Kompetenzen wie Anpassungsfähigkeit, Selbstreflexion, kritisches Denken, Kommunikation und Interdisziplinarität. Sybille Sachs, Studienautorin der Studie «Betriebswirtschaftliche Berufsbilder 2030» der HWZ, sagt dazu: «Ich muss in der Lage sein, das eigene Handeln zu reflektieren. Was habe ich gut gemacht? Wo muss ich ein nächstes Mal einen anderen Weg einschlagen? Weshalb ist ein Projekt gelungen und weshalb nicht?»
Alle genannten Kompetenzen sind dabei branchen- und industrieübergreifend einsetzbar. Ein zentrales Merkmal, wenn man bedenkt, dass sich je nach Quelle zwischen 30 bis 50 Prozent der aktuellen Jobs in Zukunft entweder radikal verändern werden oder diese komplett verschwinden werden. Das WEF etwa schätzt, dass bis 2027 ein bedeutender Wandel in der Arbeitswelt erwartet wird, bei dem die Automatisierung und andere technologische Fortschritte sowohl zur Schaffung neuer als auch zur Vernichtung bestehender Arbeitsplätze führen werden. Der Bericht «Future of Jobs Report 2023» prognostiziert, dass 85 Millionen Jobs durch Automatisierung verschwinden, während 97 Millionen neue Arbeitsplätze entstehen könnten, die besser an die neuen Anforderungen angepasst sind.
Wer wird in Zukunft noch welche Tätigkeit erledigen, und wo wird die Wertschöpfung stattfinden? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein Innosuisse-Forschungsprojekt der Fachhochschule Graubünden. Sie wollen mittels künstlicher Intelligenz ermitteln, welche Tätigkeiten auch zukünftig von Menschen in der Schweiz erledigt werden – und daraus ableiten, wie Unternehmen ihre Mitarbeitenden mit konkreten Re- und Upskilling-Angeboten für den Arbeitsmarkt fithalten können, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Das Lernen hört nie auf
Organisationen tun gut daran, mit Weiterbildungsangeboten in die Arbeitsmarktfähigkeit ihrer Mitarbeitenden zu investieren. Denn neben der Möglichkeit, ortsunabhängig und flexibel zu arbeiten, erwarten Mitarbeitende auch, sich im Unternehmen weiterentwickeln und entfalten zu können.
Die Zukunft aktiv mitgestalten
Die Arbeitnehmenden sind angehalten, sich mit lebenslangem Lernen für den Arbeitsmarkt fit zu halten. Die GDI-Studie skizziert dazu drei Kategorien von Kompetenzen, mit denen Arbeitnehmende zur Gestaltbarkeit der Arbeitswelt der Zukunft beitragen können:
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Grundlagenwissen ist unabdingbar. Man muss Vergangenheit und Gegenwart kennen, um vernetzt denken zu können. Dazu gehört auch zu wissen, was man nicht weiss. Zuletzt braucht es die entsprechenden Werkzeuge, um sich neues Wissen anzueignen.
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Die Fähigkeit zur Introspektion – oder, seine Bedürfnisse zu verstehen und seine Wünsche zu formulieren – ist die Voraussetzung dafür, Ziele zu formulieren. Und Ziele sind für die Gestaltung der Zukunft unerlässlich.
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Um Ziele umsetzen zu können, muss man aktiv werden. Dafür braucht es praktische Fähigkeiten. Dazu gehören handwerkliche Fähigkeiten genauso wie Selbstorganisation und soziale Kompetenzen.
Gewiss, die Zukunft ist ungewiss, doch für uns alle gilt: Mit Veränderungs- und Lernbereitschaft, einer guten Portion Neugierde und dem Mut, Neues zu wagen und sich von Unsicherheit nicht einschüchtern zu lassen, können wir voneinander lernen, Ideen ausprobieren, als Gesellschaft resilienter werden und die Zukunft aktiv mitgestalten. Ganz im Sinne von Antoine de Saint-Exupéry, der sagte: «Die Zukunft soll man nicht voraussehen wollen, sondern möglich machen».
«Die Zukunft soll man nicht voraussehen wollen, sondern möglich machen.»Antoine de Saint-Exupéry