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New Work: Selbstbestimmung, Sinnhaftigkeit und Work-Life-Balance
«New Work» als Schlagwort für unterschiedliche Arbeits- und Organisationsmodelle ist nicht erst seit der Coronakrise in aller Munde. Doch es geht nicht (nur) darum, Mitarbeitenden über Benefits wie Flex Work, Jobsharing oder Workations für eine Stelle zu gewinnen. Arbeitgeber:innen müssen sich überlegen, wie sie Arbeit gestalten und sinnstiftende Tätigkeiten anbieten, um qualifizierte Arbeitnehmer:innen zu finden, zu entwickeln und zu halten.
Der Begriff «New Work» ist alles andere als neu. Er wurde Mitte der 70er-Jahre vom deutsch-amerikanischen Sozialphilosophen und Anthropologen Frithjof Bergmann als Gegenmodell zum kapitalistischen Arbeitsmodell geprägt. Bergmann gründete in den 1980er-Jahren in der amerikanischen Automobil-Hochburg Flint in Michigan das «Zentrum für Neue Arbeit», beriet unter anderem General Motors und propagierte die Werte Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft.
New Work: Neue Werte zählen
Diese Werte sind heute aktueller denn je. Denn die grossen wirtschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre – aufstrebende Volkswirtschaften, der technologische Fortschritt, die Globalisierung der Märkte, die demografische Entwicklung, neue Kundenbedürfnisse, verschärfter Wettbewerb und die Coronakrise – haben tiefgreifende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Und somit auch auf die Art und Weise, wie Arbeitnehmer:innen heute arbeiten möchten.
Coworking, Job-Rotation, bürolose Firmen
Der übergeordnete Megatrend der Digitalisierung und die Coronakrise haben viele Teilbereiche von New Work rasant beschleunigt: Neue Arbeitsformen wie Remote Work, Flex Work und Homeoffice sind in Dienstleistungsbetrieben und in Wissensberufen zum Alltag geworden: Unternehmen lassen Mitarbeitende in Coworking Spaces arbeiten und bieten mit Job- und Topsharing oder Job-Rotationen neue Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung. Firmen testen das bürolose Office und Remote First wie etwa ZEAM, welche Unternehmen mit der Gen Z zusammenbringen. Angestellte dürfen mittels Workations Arbeit mit Reisen verbinden. Der wachsende Arbeitsmarkt der Gig-Ökonomie zieht Freelancer und digitale Nomaden an, die lieber projektbezogen arbeiten oder Gelegenheitsjobs verrichten, als im traditionellen Angestelltenverhältnis zu verharren.
Flex Work: mehr als nur Coworking
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Dazu gehören gleitende Arbeitszeit, Jahresarbeitszeit, Jobsharing, Teilzeitarbeit oder Vertrauensarbeitszeit.
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Coworking, flexible Arbeitsplätze, Homeoffice, Remote Work (Fernarbeit) oder zum Beispiel Trainoffice.
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Hier unterscheidet man zwischen Arbeit auf Abruf, Crowdworking, Freelance, Gigwork oder Temporärarbeit.
Flexibilität, Weiterbildung und Sinnhaftigkeit
Entsprechend hat sich auch die Einstellung der Arbeitnehmer:innen gegenüber der Arbeit verändert. Schweizer Arbeitnehmer:innen wünschen sich mehr Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung, und ein Drittel möchte zudem das Arbeitspensum reduzieren. Der Wunsch nach mehr Selbstbestimmung und Work-Life-Balance ist ungebrochen.
New Work hat verschiedene Dimensionen. Neben mehr Flexibilität oder dem Wunsch nach ortsunabhängigem Arbeiten sind Arbeitnehmer:innen wieder zunehmend mobil: Die «LinkedIn Global Talent Trends 2024»-Studie zeigt, dass 23 % der befragten Fachkräfte aktiv nach Jobmöglichkeiten im Ausland suchen, während 63 % generell offen für internationale Karriereschritte sind. Dies könnte helfen, den globalen Fachkräftemangel zu bekämpfen.
Immer mehr Mitarbeitende wollen auch eine Arbeit, die nicht nur monetär belohnt, sondern auch sinnstiftend ist. Arbeitnehmer:innen erwarten zudem, dass Arbeitgeber in ihre Fähigkeiten investieren und ihnen helfen, sich weiterzuentwickeln. Unternehmen tun gut daran, in Weiterbildungsmöglichkeiten zu investieren: In der PwC-Umfrage «Global Workforce Hopes and Fears Survey 2024» gaben fast die Hälfte der Arbeitnehmer:innen an, dass die Möglichkeit, neue Fähigkeiten zu erlernen, ein wichtiges Kriterium für die Entscheidung ist, ob sie bei ihrem Arbeitgeber bleiben oder die Stelle wechseln.
Work-Life-Blending: Die Grenzen verschwinden
Da die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben in Zeiten von Homeoffice und Flex Work zunehmend verschwinden, ist es wichtig, dass sich sowohl Arbeitnehmer:innen wie auch Arbeitgeber:innen ganzheitlich mit dem Thema Gesundheit am (ortsunabhängigen) Arbeitsplatz auseinandersetzen. Denn Gesunde Mitarbeitende sind entscheidend für den Unternehmenserfolg. Dessen sind sich HR-Fachleute bewusst: Investitionen in die physische und psychische Gesundheit der Mitarbeitenden gehört nach dem Anziehen und Halten von Talenten zur absoluten Priorität, wie die «Global Talent Trends 2024»-Studie von Mercer zeigt.
Im Alltag helfen konkrete Tipps, um gesundheitliche Risiken zu minimieren und die physische und psychische Gesundheit zu stärken. Und das flexible Arbeiten mit Homeoffice muss gesetzlich verankert werden. Aus einem Bericht zum Potenzial von New Work in der Gesellschaft der plattform, der politischen Allianz unabhängiger und lösungsorientierter Angestellten- und Berufsverbände, zu der auch der Kaufmännische Verband Schweiz gehört, geht ein dringender Handlungsbedarf im Umgang mit Flexibilisierung und Gesundheitsschutz hervor. Das heutige Arbeitsgesetz sei nicht für neue Arbeitsformen angelegt, hält der Bericht fest, weshalb auch gesetzliche Grundlagen der Realität angepasst werden müssen.
Das Büro als Begegnungsort für Co-Creation
In der Post-Corona-Zeit ist das flexible Arbeiten selbstverständlicher geworden, und zahlreiche Schweizer Firmen eine Vielzahl an Flex-Work-Modellen eingeführt. Von 50 Prozent Anwesenheitspflicht über den gemeinsamen Team-Tag vor Ort bis zu maximaler Flexibilität mit hybriden Modellen ist alles zu vernehmen. Während eine strikte Präsenzpflicht ausgedient zu haben scheint, zeichnet sich ab, dass das Büro als Begegnungsort genutzt und geschätzt wird. Trifft man sich physisch, kann man kreativ sein, gemeinsam an Projekten arbeiten, Beziehungen pflegen. «Wir sollten die Zeit im Büro als Quality Time sehen, also zum Ideen- und Wissensaustausch und zur Pflege von Beziehungen», bekräftigt Barbara Josef von 5to9, die Firmen in die digitale Zukunft begleitet.
«Wir sollten die Zeit im Büro als Quality Time sehen, also zum Ideen- und Wissensaustausch und zur Pflege von Beziehungen.»Barbara Josef von 5to9
Organisation, Prozesse, Teams: New Work ist überall
Während cloudbasierte Tools und agile Methoden schon in vielen Organisationen gang und gäbe geworden sind, braucht es mehr als flexibles Arbeiten und eine kollaborative IT-Infrastruktur, um Talente anzuziehen und die Organisation, Prozesse und Teams weiterzuentwickeln. In Zeiten von New Work suchen Menschen auch einen Sinn in der Arbeit, Gestaltungsmöglichkeiten und Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben.
New Work, neue Kompetenzen
New Work eröffnet neue Möglichkeiten, bedingt aber auch neue Kompetenzen wie Anpassungsfähigkeit, kritisches Denken, Kommunikation und Interdisziplinarität. Führungs-, und Sozialkompetenzen werden auch für die kaufmännischen Berufe immer wichtiger. Selbstkompetenz nimmt künftig einen grossen Stellenwert ein, wie Sybille Sachs, Leiterin des Instituts für Strategisches Management an der HWZ (Hochschule für Wirtschaft Zürich) betont: «Mitarbeitende müssen sich fragen: Was habe ich gut gemacht? Wo muss ich ein nächstes Mal einen anderen Weg einschlagen? Weshalb ist ein Projekt gelungen und weshalb nicht? Ich lerne nur, wenn ich mir über mein Handeln bewusst bin.» Die Fähigkeit zur Selbstreflexion hilft dabei, Stress einordnen und managen zu können. Zudem stärken Selbstfürsorge und Achtsamkeit die Resilienz – beides kann man lernen.
Arbeit, die wir wirklich wirklich wollen
Flexibles Arbeiten, Work-Life-Blending, neue Arbeitsstrukturen, sinnstiftende Tätigkeiten, Selbstfürsorge: Mit einem neuen Verständnis für die Arbeit im digitalen Zeitalter können wir uns für die Zukunft wappnen, Komplexität reduzieren und einen gesunden und nachhaltigen Umgang mit Risiko und Unsicherheit in einer schnelllebigen Welt finden. Und, um es in den Worten des New-Work-Vorreiters Frithjof Bergmann auszudrücken: «Arbeit schaffen, die wir wirklich wirklich wollen.»
«Mitarbeitende müssen sich fragen: Weshalb ist ein Projekt gelungen und weshalb nicht? Ich lerne nur, wenn ich mir über mein Handeln bewusst bin.»Sybille Sachs, Leiterin des Instituts für Strategisches Management an der HWZ