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Analog vs. digital: Es braucht beides

Braucht es in der heutigen digitalen Welt noch analoge Kompetenzen und wenn ja, welche? Welche Vorteile bieten analoge Skills gegenüber digitalen Skills und umgekehrt? Ein Faktencheck.
Mit den digitalen Kompetenzen müssen sich sowohl Führungskräfte als auch Angestellte auseinandersetzen, denn die Digitalisierung und der Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) ist ein Prozess, dem man am besten mit dem Konzept des lebenslangen Lernens begegnet.
Die erfreuliche Nachricht: Die analogen Skills, wie z.B. die Soft Skills, geraten nicht aus der Mode. Im Gegenteil, gerade in Unternehmen, in denen Mitarbeitende mit neuen Organisationsstrukturen und Pflichtenheften konfrontiert werden, gewinnen analoge Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit, Selbstreflexion oder Empathie an Bedeutung. Das bestätigt die im Auftrag des Kaufmännischen Verbands Schweiz durchgeführte HWZ-Studie «Betriebswirtschaftliche Berufsbilder 2030». Ergänzend dazu zeigt eine aktuelle Untersuchung des World Economic Forum (WEF) («The Future of Jobs Report 2023»), dass Soft Skills wie kreatives Denken, emotionale Intelligenz und Resilienz für die Arbeitswelt der Zukunft entscheidend bleiben.
Die Vorteile der digitalen Skills
Besonders im kaufmännischen Bereich bestreitet wohl kaum jemand, dass digitale Komponenten und Prozesse Erleichterung in den Arbeitsalltag bringen. Wer möchte schon mit der Schreibmaschine längere Texte schreiben, die elektronische Post wieder zur analogen umfunktionieren oder mit dem Zählrahmen die Buchhaltung führen? E-Mail, Buchhaltungssoftware, CMS, CRM, Chat-Applikationen, KI, Videocalls und digitale Tools zur Zusammenarbeit gehören heute zum Alltag.
Die Vorteile von digitalen Skills liegen auf der Hand. Mit der Digitalisierung wird eine Automatisierung von Prozessen und Abläufen angestrebt, wodurch Produktivität gefördert wie auch gesteigert wird. Wer sich mit den neusten Technologien und den aktuellsten Trends auskennt, kommt schneller voran, liefert mehr, bleibt geistig fit. Zudem steigen die Chancen, eine Arbeitsstelle zu behalten oder eine neue zu bekommen, obwohl gemäss unterschiedlichen Umfragen in den nächsten Jahren viele Jobs verschwinden werden.
Laut der OECD-Studie «Skills Outlook 2023» erfordert die digitale Transformation eine ständige Anpassung der Fähigkeiten, wobei lebenslanges Lernen zur zentralen Strategie wird, insbesondere bei Querschnittsthemen wie der Nachhaltigkeit und der Digitalisierung. Gleichzeitig zeigt der «Hopes and Fears 2024»-Bericht von PwC, dass sich sich 39 Prozent der Arbeitnehmenden weltweit unsicher fühlen über die Zukunft ihrer beruflichen Laufbahn, während 53 Prozent aktiv nach Möglichkeiten suchen, neue digitale oder soziale Kompetenzen zu erwerben. Besonders stark ist das Bedürfnis nach Weiterentwicklung in technologieintensiven Branchen, wo Unternehmen zunehmend hybride Fähigkeiten – eine Kombination aus digitalen und sozialen Kompetenzen – als essenziell erachten.
Der Wandel ist unaufhaltbar. Er zwingt Arbeitnehmende dazu, sich ständig weiterzubilden, flexibel zu bleiben und durch lebenslanges Lernen die eigene Arbeitsmarktfähigkeit hochzuhalten.
Doch es gibt auch Nachteile
Dieses Unbeständige und die damit verbundene Schnelllebigkeit kann sich aber auch zum Nachteil entwickeln. Was heute State-of-the-Art ist, kann morgen schon wieder überholt oder auf dem Schweizer Arbeitsmarkt nicht mehr gefragt sein. Mit diesem Tempo mitzuhalten, ist auf Dauer anstrengend. Ein weiterer Nachteil kann die ständige Erreichbarkeit sein. Durch Smartphones, Social Media oder auch im Homeoffice lösen sich die Grenzen zwischen Arbeitswelt und Privatleben immer mehr auf. Für die optimale Leistungsfähigkeit sind jedoch Ruhephasen unabdingbar. Denn die Gesundheit ist unsere wichtigste Ressource – sowohl im Berufs- wie auch im Privatleben. Der Bericht des Europäischen Parlaments «Psychische Gesundheit in der digitalen Arbeitswelt» betont die Auswirkungen der Digitalisierung auf das psychische Wohlbefinden der Beschäftigten. Er weist darauf hin, dass der digitale Wandel zwar Chancen bietet, aber auch Herausforderungen wie technikbedingten Stress und die Verwischung der Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben mit sich bringt. Der Bericht fordert Massnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz, einschliesslich des Rechts auf Nichterreichbarkeit, um eine gesunde Work-Life-Balance zu gewährleisten.
Digitale Erreichbarkeit managen
Ein Factsheet der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) thematisiert die Chancen und Herausforderungen der ständigen Online-Verfügbarkeit. Es betont die Notwendigkeit, bewusste Entscheidungen zwischen «on» und «off» zu treffen, um psychische Belastungen durch ständige Erreichbarkeit zu minimieren.
Vorteile analoge Skills
Die digitale Transformation ist deshalb auch eine soziale Transformation. Neben digitalen Fähigkeiten und Fachwissen werden soziale Kompetenzen immer wichtiger. Es ist heute unabdingbar, sich mit sich selbst als Mensch, seinen persönlichen Fähigkeiten, Grenzen, Stärken und Schwächen auseinanderzusetzen, um in die geeignete Rolle oder Funktion zu finden. Die «Future of Work»-Studie von McKinsey (2023) betont, dass in Zeiten der Automatisierung menschliche Fähigkeiten wie emotionale Intelligenz, Führungskompetenzen und interkulturelles Arbeiten zunehmend gefragt sind.
Daten der ZHAW zeigen, dass Unternehmen zunehmend Wert auf überfachliche Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Kommunikationsstärke und Anpassungsfähigkeit legen, um den Anforderungen der digitalen Transformation gerecht zu werden.
Diese Entwicklungen unterstreichen die Notwendigkeit, sowohl digitale als auch analoge Kompetenzen kontinuierlich zu fördern, um in einer sich wandelnden Arbeitswelt erfolgreich zu bestehen. Die Fachhochschule bietet mit dem webbasierten Tool «myCompetence» eine Möglichkeit, die eigenen (analogen) Kompetenzen zu evaluieren, zu vergleichen und zu entwickeln, um im Anschluss Rückschlüsse auf das eigene Berufsbild zu ziehen und mögliche Massnahmen abzuleiten.
Ganze Berufe verschwinden zwar selten, aber die Berufsbilder verändern sich. Der «Job-Futoromat» des deutschen Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB zeigt auf, welche Tätigkeiten oder Teilaspekte von diversen Berufen automatisiert werden. Im Suchfeld kann man nach Berufen suchen und sieht, wie die Digitalisierung den eigenen Beruf verändern kann.
Angesichts der anhaltend rasanten Geschwindigkeit, mit der Digitalisierung und KI insbesondere die Wissensberufe verändern, mag es auf den ersten Blick weniger attraktiv wirken, an seinen analogen Kompetenzen zu arbeiten, als sich digital weiterzubilden. Analoge Skills sind jedoch weniger schnelllebig als digitale und daher wesentlich nachhaltiger. Zudem sind erstere berufsübergreifend und können in den meisten Branchen angewendet werden – sogenannte «transferable skills». Sie wirken sich auch auf das Privatleben und die Gesellschaft im Allgemeinen aus.
Im Geschäftsleben setzen Firmen auf interdisziplinäre Projektgruppen mit flachen Hierarchien und neuen Rollen. Damit solche heterogenen Teams funktionieren, müssen Arbeitnehmende ein gewisses Mass an Selbstreflexion, Eigenverantwortung, Flexibilität und Teamfähigkeit an den Tag legen. Auch Kenntnisse wie vernetztes Denken, Kreativität oder Kommunikationsfähigkeit werden immer wichtiger – alles sogenannte Soft Skills oder analoge Kompetenzen.
Nachteile analoge Skills
Während analoge Kompetenzen (Soft Skills) im Arbeitsumfeld viele Vorteile bieten, gibt es auch einige Nachteile zu berücksichtigen. Dazu zählen Subjektivität und Messbarkeit: Soft Skills sind oft schwer objektiv zu messen, da sie auf persönlichen Eigenschaften basieren. Dies kann die Bewertung und das Training dieser Fähigkeiten erschweren. Ebenso die fehlende Standardisierung: Im Gegensatz zu Fachwissen («Hard Skills») gibt es keine einheitlichen Standards für Soft Skills, was zu unterschiedlichen Interpretationen und Erwartungen führen kann. Die Gefahr besteht auch, dass Soft Skills gegenüber Fachwissen überbewertet werden könnte und technisches Fachwissen vernachlässigt wird, was in bestimmten Positionen kritisch sein kann.
Klar ist: Es braucht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen analogen und digitalen Kompetenzen und eine Anwendung auf verschiedene Berufs- und Lebensbereiche, um sowohl persönliche als auch berufliche Anforderungen effektiv zu erfüllen. Dabei hilft vernetztes Denken, Offenheit gegenüber Veränderungen und Kommunikationsfähigkeit. Wenn Führungskräfte, Berufsbildner:innen und die Mitarbeitenden dies erkennen, sollte einer abwechslungsreichen und erfolgreichen Berufskarriere nichts im Wege stehen.
Erstmals veröffentlicht am: 15.9.2022
Letzte Aktualisierung: 11.3.2025