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Diversity fördert die Arbeitgeberattraktivität

Man(n) ist sich einig: Diversity bereichert, im Alltag genauso wie bei der Arbeit. Um Diversity und Inklusion wirklich zu leben, braucht es die richtigen Rahmenbedingungen, einen Kulturwandel und ein gezieltes Talent Management, um Mitarbeitende unabhängig von Geschlecht, Alter oder Ausbildung zu fördern und zu halten.
Diversity ist in aller Munde. Im Zusammenhang mit Personalmanagement steht der Begriff für die Vielfalt der beschäftigten Mitarbeitenden. Dabei werden etwa folgende Faktoren miteinbezogen: Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung und Identität, familiäre Situation, Ethnizität, Religion, Ausbildung, Werte und körperliche oder geistige Behinderung. Eine abschliessende Definition gibt es aber nicht, und der Begriff beinhaltet unterschiedliche Dimensionen, von denen auch nicht alle auf den ersten Blick sichtbar sind.
Zugehörigkeit stärkt die Arbeitszufriedenheit
Bei einem Punkt ist sich die Arbeitswelt einig: Diversity & Inklusion, also Vielfalt und Einbindung, schaffen Zugehörigkeit, führen zu mehr Arbeitszufriedenheit, fördern die Arbeitgeberattraktivität und tragen zum Geschäftserfolg bei. Studien zeigen, dass diverse Teams innovativer und leistungsstärker sind (McKinsey, 2024). Um Diversity zu erreichen, müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. Dabei ist Diversity & Inklusion (D&I) kein Projekt, das nach einer bestimmten Dauer abgeschlossen ist, sondern gehört zur langfristigen Personalpolitik und dem Talent Management eines Unternehmens mit dem Ziel, ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen, die besten Mitarbeitenden anzuziehen und Unternehmenserfolg und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
Wie erreicht man Diversity im Unternehmen?
Die Grundlage für Gleichstellung bei der Arbeit bildet das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Mann und Frau (GIG). Dieses enthält unter anderem das Diskriminierungsverbot, den Kündigungsschutz und die Bestimmung zur Lohngleichheit. Auf Unternehmensebene helfen Massnahmen zur Förderung von Diversity dabei, Gleichstellung weiter umzusetzen. In der Schweiz gibt es gute Fortschritte, jedoch besteht bei der Lohngleichheit weiterhin Aufholbedarf (Bundesamt für Statistik, 2022).
Kulturwandel als Voraussetzung
Die wichtigste Voraussetzung für Diversity im Unternehmen ist ein Kulturwandel und die Sensibilisierung von Geschäftsleitung, Führungskräften und Mitarbeitenden für das Thema. Arbeiten alle Führungskräfte Vollzeit oder sind in der Geschäftsleitung keine Frauen vertreten, fehlt es an Glaubwürdigkeit. Gerade im Bereich Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben können Unternehmen mit gutem Beispiel vorangehen und unterschiedliche Arbeitsformen anbieten: Von Teilzeit über flexibles Arbeiten, Jahresarbeitszeit, Ferieneinkauf, verlängertem Mutter- oder Vaterschaftsurlaub bis zur Viertagewoche oder WFA (Working from Anywhere). Der «Diversity, Equity and Inclusion (DEI) Transparency Report» von Deloitte (2022) betont, dass die Implementierung flexibler Arbeitszeitmodelle ein wesentlicher Bestandteil einer umfassenden DEI-Strategie sei, die darauf abziele, Chancengleichheit zu gewährleisten und die Vielfalt innerhalb der Belegschaft zu erhöhen. Flexible Modelle ermöglichten es Mitarbeitenden, ihre Arbeitszeiten an persönliche Bedürfnisse anzupassen, was dazu beitrage, vielfältige Talente zu gewinnen und zu halten, so der Bericht.
Doch Flexibilität und Autonomie alleine reichen in Zeiten des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels nicht aus. Mitarbeitende suchen auch einen Sinn und Orientierung bei der Arbeit; sie brauchen Wertschätzung und eine gemeinsame Identität. In all diesen Bereichen helfen Vorbilder: Es braucht mehr Teilzeitmänner genauso wie Job- oder Topsharing oder die Beförderung von älteren Arbeitnehmenden, um den Wandel vorzuleben. Sicher ist: Damit D&I-Massnahmen erfolgreich sind, muss Diversity von oben her gelebt werden.
Vorteile von Diversity liegen auf der Hand
Heute bestätigen diverse Studien, dass sich Diversity positiv auf die Zusammenarbeit, das Team, die Unternehmenskultur und den Geschäftserfolg auswirkt. Diversity fördert die Arbeitgeberattraktivität und ist mitunter eine Massnahme gegen den Fachkräftemangel – gerade wenn dadurch Frauen ihre Pensen aufstocken oder nach dem Mutterschaftsurlaub an den Arbeitsplatz zurückkehren.
Die Vorstudie «Korrelation zwischen Wettbewerbs- und Innovationfähigkeit und Implementierung von Diversity&Inclusion-Grundsätzen» der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) vom September 2022 geht der Frage nach, ob es einen Zusammenhang zwischen D&I und der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen gibt. Das Gutachten zuhanden des Vereins Swiss Diversity kommt zum Schluss, dass Unternehmen durch mehr Chancengerechtigkeit ökonomisch profitieren und Diversität direkte und indirekte Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg und die Wettbewerbsfähigkeit hat. Unternehmen mit mindestens einem weiblichen Vorstandsmitglied würden eine höhere Eigenkapitalrendite und ein höheres Wachstum des Nettogewinns als Unternehmen ohne Frauen im Vorstand erzielen, so der Befund der ZHAW. Die Vorstudie beinhaltet Handlungsempfehlungen und legt Unternehmen nahe, D&I strategisch zu verankern und sowohl eine interne Mitarbeitenden-Sicht wie auch eine externe Kundenperspektive zu verfolgen.
Der weibliche Talentpool bietet grosses Potenzial
Die gute Nachricht: Die Schweiz ist und bleibt attraktiv für diverse Talente, wie unterschiedliche Talent-Studien regelmässig bestätigen. Auch die Frauen sind inzwischen gleich gut qualifiziert wie die Männer. Betrachtet man aber den Frauenanteil an der gesamten Belegschaft, sind Frauen in Führungspositionen oft untervertreten.
Wie die Betriebe Diversität bereits umsetzen und wie unter anderem die Geschlechtervertretung aussieht, das misst das «St. Gallen Diversity Benchmarking» des Competence Centre for Diversity & Inclusion (CCDI) der Universität St. Gallen (HSG). Das Benchmarking kann für Unternehmen ab 100 Mitarbeitenden eingesetzt werden und untersucht die Faktoren Geschlecht, Alter, Nationalität und Sprache. Es erlaubt eine unabhängige Standortbestimmung und ermöglicht Vergleiche mit anderen Unternehmen oder zwischen unterschiedlichen Branchen.
Frauenanteil in der Versicherungs- und Bankenbranche
Am «CCID-Benchmarking 2022 – Versicherungen» nahmen zwölf Versicherungsunternehmen teil und es wurden Daten von rund 34 000 Mitarbeitenden analysiert, also von mehr als zwei Drittel der insgesamt 49 900 Personen, die bei Versicherungsunternehmen beschäftigt sind. Der Bericht verdeutlicht: Insgesamt sind Frauen etwas stärker vertreten als Männer, und der Frauenanteil übertrifft mit 37% im unteren Kader auch die kritische Masse von 30%, die es braucht, damit eine Gruppe nicht mehr als Minderheit wahrgenommen wird. Bei den Positionen mit Personalverantwortung sind 31% Frauen vertreten. Doch bei den höheren Kaderstufen sind nur noch 21% Frauen vertreten – bei den internationalen Banken liegt dieser Anteil noch tiefer, bei 17%. Positiv stimmt, dass die Versicherungen ihre Talente besonders in den unteren Kaderstufen gut halten können und dass der Frauenanteil im Schnitt stärker zunimmt als der Männeranteil.
Geschlechterverteilung im Management
Über die Branchen hinweg zeigt der «Gender Intelligence Report 2024» des CCDI», dass Frauen in der Schweiz auf den unteren Hierarchieebenen nahezu gleich vertreten sind wie Männer, jedoch mit jeder höheren Führungsebene deutlich unterrepräsentiert sind. Während Frauen 47% der Positionen im Nicht-Kader innehaben, sinkt ihr Anteil im obersten Kader auf nur 22%. Zwischen 2023 und 2024 gab es leichte Fortschritte zu verzeichnen: Der Frauenanteil im unteren Management stieg um 2%, im mittleren und oberen Management jeweils um 1%. Trotz dieser Verbesserungen bleibe die Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen ein zentrales Thema, so der Report. Besonders positiv zeige sich die Entwicklung in Unternehmen, die Mitglied bei Advance sind, dem Wirtschaftsverband für Gleichstellung in der Schweiz: Hier liegt der Frauenanteil im oberen Management bei 22%, während er in anderen Unternehmen nur 19% beträgt. Dennoch zeigt der «Glass Ceiling Index», dass Männer nach wie vor häufiger in Machtpositionen vertreten sind, wobei der Index zwischen 2023 und 2024 nur um 0,2 Punkte sank.
Teilzeit bei Männern wird beliebter
Die Publikation «Die Entwicklung der erwerbstätigen Bevölkerung in den letzten 50 Jahren: Demografie, Teilzeiterwerbstätigkeit und Berufe» des Bundesamts für Statistik BfS (2024) zeigt auf, dass der Anteil der Frauen, die in der Schweiz Teilzeit arbeiten, zwischen 1970 und 2023 von 29,4% auf 58% gestiegen ist. Damit ist Teilzeitarbeit bei Frauen weiterhin stark verbreitet und hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich erhöht. Der Bericht zeigt ebenfalls auf, dass der Anteil der Männer, die Teilzeit arbeiten, zwischen 1970 und 2023 von 4,1% auf 19,6% gestiegen ist. Besonders bemerkenswert ist, dass der grösste Anstieg in den letzten Jahren verzeichnet wurde: Zwischen 2010 und 2023 stieg der Anteil der teilzeiterwerbstätigen Männer um 6,2%, von 13,4% auf 19,6%. Dieser Trend zeigt, dass Teilzeitarbeit nicht mehr nur ein Modell für Frauen ist, sondern auch für Männer zunehmend attraktiver wird. Gründe dafür könnten eine verbesserte Work-Life-Balance, die stärkere Einbindung von Vätern in die Familienarbeit und flexiblere Arbeitsmodelle in Unternehmen sein. Dadurch können Erwerbs-, Haus und Familienarbeit aufgeteilt werden und Frauen können hochprozentiger arbeiten und ihre Karriere weiterführen, und somit Diversität in Bezug auf Geschlechtervertretung in der Führung fördern.
Führungspositionen sind auch im Topsharing möglich
Diversity heisst auch, wenn sich zwei Personen eine Führungsposition teilen. Führung im Jobsharing, sogenanntes Topsharing, ist eine Frage der Unternehmenskultur und der Organisation. Und die Personen, die sich eine Führungsposition teilen, müssen dies wollen, gemeinsame Werte vertreten und die gleichen Ziele verfolgen. Im Interview mit dem CCDI betont Daniel Eugster, CEO der Allianz Suisse-Tochtergesellschaft CAP Rechtschutz, dass das Modell des Topsharing es ermögliche, qualifizierte Mitarbeitende zu gewinnen oder zu halten, die nicht in Vollzeit arbeiten können oder möchten. Wichtige Voraussetzungen für ein erfolgreiches Topsharing seien die Bereitschaft, Führungsverantwortung zu teilen, eine intensive Kommunikation und eine gute Zusammenarbeit der Involvierten.
Ältere Arbeitnehmende fördern
Nani Nold, Verantwortliche für Diversity & Inclusion bei der Allianz Suisse, sagt: «Für die Chancengleichheit aller Mitarbeitenden braucht es weitere Massnahmen, gerade was Arbeitsmarktfähigkeit und Arbeitszeitmodelle betrifft. Wir müssen den Talentpool breiter fassen – auch in Bezug aufs Alter. Es gibt nicht nur ein lineares Karrieremodell. Wenn wir ältere Arbeitnehmende nicht fördern, vergeben wir ein grosses Potenzial.» Die Allianz Suisse wurde 2022 als aktuell einziges Schweizer Versicherungsunternehmen mit der «EDGE Move»-Zertifizierung ausgezeichnet, welche die Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz untersucht. Nani Nold ergänzt: «Gleichstellung bedeutet bei uns, dass jede Person ihre Potenziale und Fähigkeiten entfalten kann. Wir sind überzeugt, dass wir als Organisation erfolgreicher sind, weil wir Vielfalt aktiv fördern.»
Erstmals veröffentlicht am: 4.11.2022
Letzte Aktualisierung: 11.3.2025
Autor:in: Sibylle Zumstein
Infobox
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«Swiss Diversity» ist eine Plattform zur Förderung von Diversität und Inklusion. Der gemeinnützige Verein bringt Vertreter:innen aus Wirtschaft und Gesellschaft zusammen und bietet verschiedene Gefässe für den Austausch an. Swiss Diversity vergibt jährlich den «Swiss Diversity Award» in in den sieben Kategorien «LGBTQI», «Geschlecht», «Alter», «Beeinträchtigung», «Bildung und soziale Herkunft», «Nationalität und ethnische Herkunft» und «Religion und Weltanschauung». Im Jahr 2022 gab es zum ersten Mal mehrere Gewinner:innen pro Kategorie. Am 9. September 2023 wird der «Swiss Diversity Award» zum fünften Mal verliehen.
Mehr Informationen: www.swissdiversity.com