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So gelingt der berufliche Neustart

    Die Büroangestellte, die ihr eigenes Café eröffnet oder der Arzt, der Lastwagenfahrer wird – solch grundlegende Neuorientierungen sind noch eher die Ausnahme. Doch dass man sich im Laufe eines langen Lebens beruflich ab und an neu ausrichtet, wird häufiger. Weil man will oder weil man muss – oder aufgrund einer Mischung aus beidem.

    Viele werden sich im mittleren Lebensalter bewusst, dass ihnen die Leidenschaft in ihrem Beruf fehlt und sie einen Teil ihrer Fähigkeiten nicht nutzen oder nicht weiterentwickeln können. Vielleicht befinden sie sich in einem Umfeld, in dem die Arbeit als sehr fremdbestimmt wahrgenommen wird, keine gute Stimmung im Team herrscht oder auch in sehr volatilen Organisationen mit häufigen (drohenden) Umstrukturierungen. Das mittlere Lebensalter ist ausserdem typisch für Bilanzierungsfragen. Manche erinnern sich dann an ihren ursprünglichen Traumberuf oder entwickeln ganz neue Ideen. 

    Der Traum vom eigenen Business

    Am Anfang steht die Frage: Was passt wirklich zu mir? Wichtig ist, nicht nur dem Bauchgefühl zu folgen, sondern sich gründlich mit den eigenen Fähigkeiten und Ressourcen, aber auch Defiziten auseinanderzusetzen. Und das private Umfeld von Anfang an in den Veränderungsprozess einzubeziehen. Denn ohne deren Unterstützung wird es schwierig. 

    Wer sich selbstständig macht, muss sich zeitweise auf 12- Stunden-Tage sowie eine finanzielle Durststrecke einstellen. Neben der Entwicklung des Geschäfts und dem Gewinnen von Kundschaft ist auch der administrative Aufwand nicht zu unterschätzen: Man muss sich plötzlich um die Buchhaltung, Versicherungen, Bewilligungen etc. kümmern. Daher ist ein agiles Vorgehen praktisch und risikoarmer: Schritt für Schritt, damit man Fehler möglichst früh macht, und die Kundschaft immer mit ins Boot nehmen, um rechtzeitig justieren zu können. Unbedingt sollte man das neue Berufsfeld von innen anschauen, bevor man das alte vollends aufgibt. Plant man zum Beispiel, ein Café zu eröffnen, wäre es ratsam, in den Ferien ein paar Wochen in einem Café zu arbeiten und zu schauen, ob der Alltag wirklich den Vorstellungen entspricht. Zudem macht es Sinn, mit Personen zu sprechen, die einen ähnlichen Weg gegangen sind. Im Life Design nennt man das «Annahmen überprüfen».

    «Job Crafting heisst: mehr aus seinem Job machen. Wenn wir Veränderungen im Kleinen suchen, rutschen wir auch leichter durch die grossen.»
    Bernadette Höller

    Job Crafting: Arbeit selbstbestimmt gestalten

    Wer zu einer beruflichen Veränderung gezwungen wird, weil es den Beruf in wenigen Jahren in dieser Form gar nicht mehr geben wird, könnte der Veränderung entgegentreten. Idealerweise gestaltet man heute schon den Prozess mit und baut sein Tätigkeitsfeld so um, dass ein abgewandelter Beruf daraus wird. Das ist nicht immer realistisch, aber vielleicht öfter, als man denkt. Man nennt das Job Crafting: mehr aus seinem Job machen. Wenn wir Veränderungen im Kleinen suchen, rutschen wir auch leichter durch die grossen.

    Daran scheitern Umorientierungen am häufigsten. Es gibt viele Gründe fürs Nichtgelingen, je nach Art des Umstiegs. Aber die Erfahrung zeigt, dass viele Erwerbstätige in der zweiten Lebenshälfte ein hohes Sicherheitsbedürfnis haben und teilweise auch Lohnvorstellungen, die eine Neuorientierung oder einen Quereinstieg erschweren. Denn natürlich verdient man nach einem Neustart meistens erstmal weniger. Gleichzeitig kann neben einer Finanzplanung die Auseinandersetzung mit den eigenen Werten und der Frage «Was ist mir wichtig?» auch zur Erkenntnis führen, dass man gerne auf ein bisschen Sicherheit verzichtet, um wieder mehr Erfüllung in der Arbeit zu finden.

    Erstmals veröffentlicht am: 30.8.2024 (Wir Kaufleute 2/2024)

    Autor:in: Bernadette Höller

    Zur Person

    Bernadette Höller leitete die gemeinnützige Neustarter-Stiftung und lancierte loopings.ch, das schweizweite Kompetenzzentrum für Arbeit 45+.

    loopings.ch 

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