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Umgang mit psychisch belasteten Lernenden im Lehrbetrieb

    Herausforderungen während der Lehre sind normal. Lernende können ab und zu ein Stimmungstief haben, unpünktlich sein oder gar fehlen. Meistens geht das wieder vorbei. Manchmal aber leiden Lernende auch unter Belastungen, die im Zusammenspiel der unterschiedlichen Lebensbereiche, wie z.B. Arbeitswelt, Schule und Privatleben, nicht einfach handzuhaben sind. Die Folge können Leistungsprobleme oder gar ein Lehrabbruch sein. In solchen Situationen ist es wichtig, genau hinzuschauen und frühzeitig zu reagieren.

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    Eine Berufsausbildung ist ein wichtiger Schritt ins Berufsleben und bringt gleichzeitig neue Anforderungen an die Jugendlichen und ihr Umfeld mit sich. Dies, sowie die zeitgleiche Übergangszeit vom Jugendalter ins Erwachsenenalter, erhöht die Anfälligkeit für Krisen und psychische Probleme. Anhand der Studie «Umgang mit psychisch belasteten Lernenden» von Gesundheitsförderung Schweiz und WorkMed wurde erstmals eine Datengrundlage zur Art der Probleme in der Lehre – branchenübergreifend – zu möglichen Ursachen sowie zum Engagement der Berufsbildungsverantwortlichen geschaffen. Aus diesen Erkenntnissen lassen sich Hinweise ableiten, wie Lernende und Berufsbildner:innen künftig noch besser unterstützt werden können.

    Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie 

    Lediglich 41% der Lehrverläufe sind aus Sicht der Berufsbildner:innen unproblematisch. Bei 33% wurden Probleme festgestellt, die gelöst werden konnten, bei 26% der Verläufe gab es Probleme, die sich bis zum Schluss nicht lösen liessen. Diese Ergebnisse sollten nicht dramatisiert, aber auch nicht bagatellisiert werden. Gegen die Hälfte der Lernenden mit Problemen ist zumindest vorübergehend in Behandlung. Gleichzeitig bleiben Lehrabbrüche selten. Insgesamt gelingt es einem Drittel, die Probleme zu lösen. 

    Einflussfaktoren auf das Wohlbefinden der Lernenden 

    Die Studie zeigt weiter, dass Jugendliche von einem unterstützenden und funktionierenden familiären Umfeld, das Orientierung gibt und ihnen etwas zutraut, profitieren. Zudem haben gute Freundinnen und Freunde sowie eine aktive Freizeit einen deutlichen positiven Einfluss auf den Lehrverlauf. Lernende, die psychosozial belastet sind, wenig Unterstützung durch die Familie erfahren und in einem schädlichen Masse Drogen konsumieren, haben hingegen ein deutlich höheres Risiko für Probleme in der Lehre. Je mehr Defizite im zwischenmenschlichen Bereich Lernende aufweisen, desto höher ist erwartungsgemäss das Risiko für Probleme während der Lehre. 

    Ausserdem ist die Rolle der Berufsbildenden und ihre Reaktion bei Problemen zentral. Berufsbildner:innen sind oft sehr engagiert und bieten viel Unterstützung. Gleichzeitig wird bei Schwierigkeiten häufig zu lange gewartet – es verstreicht vielfach wertvolle Zeit für eine gezielte Unterstützung, wodurch die Schwierigkeiten tendenziell zunehmen. Generell zeigt sich, dass Hilfsangebote für Berufsbildner:innen wenig bekannt sind respektive zu wenig genutzt werden und Zuständigkeiten weitgehend unklar sind. Dies führt dazu, dass Berufsbildner:innen alleingelassen werden und bei jungen Menschen Chancen verpasst werden könnten, sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen und die psychische Problematik früh und gezielt anzugehen.  

    Welche Lösungen gibt es?

    Es gibt drei zentrale Ansatzpunkte, die viel bewirken können. Erstens ist eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Berufsbildenden und Lernenden die Basis. Gelingt der Aufbau einer guten Beziehung, kann dies eine wichtige, gesundheitsförderliche Ressource für die Lernenden darstellen. 

    Zweitens braucht es eine engere Zusammenarbeit und mehr Austausch zwischen allen Beteiligten. Dies ist deshalb wichtig, weil sich die Berufsbildner:innen zwar in vielen Bereichen ihrer Tätigkeit sicher fühlen, in Bezug auf psychische Themen und den Kontakt mit Dritten (andere Personen im System) auch oft unsicher. Es muss klarer sein, wann und wo Hilfe in Anspruch genommen werden kann.

    Und drittens braucht es eine verstärkte Sensibilisierung und Wissensvermittlung in den Bereichen «Entwicklungsphase bei Jugendlichen, bzw. Besonderheiten im Jugendalter» und «Informationen zur psychischen Gesundheit», um Lernende respektive junge Erwachsene gezielt zu fördern und zu unterstützen. 

    Die nachfolgende Zusammenstellung gibt Hinweise, wie Berufs- und Praxisbildende zu guten Lösungen beitragen können: 

    • Seien Sie offen und gesprächsbereit, wenn Lernende wegen Belastungen auf Sie zukommen. Hören Sie hin und fragen Sie nach. Bleiben Sie als Kontakt- und verlässliche Bezugsperson zugänglich. Eine gute Beziehung zwischen Lernenden und Berufsbildner:in ist die Basis in einer Lehrausbildung. 
    • Pflegen Sie den Kontakt zu den Eltern ab Lehrbeginn regelmässig (z.B. einmal pro Semester oder Lehrjahr) und unabhängig davon, ob es Probleme gibt. Das kann eine Zusammenarbeit erleichtern, sollte es zu Schwierigkeiten kommen. 
    • Kommunizieren Sie, dass Sie nicht die Erwartung haben, dass Lernende keine Probleme haben, sondern dass man darüber sprechen und Lösungen suchen kann. 
    • Teilen Sie den Lernenden die Anforderungen und Erwartungen von Lehrbetrieb und Schule klar mit und fordern Sie die Einhaltung konsequent ein. Lernende schätzen Orientierung und Sicherheit. 
    • Können die Probleme nicht innerhalb von ein paar Wochen zwischen Ihnen und der/dem Lernenden gelöst werden, suchen Sie das Gespräch mit den Eltern und Lehrpersonen. Finden Sie gemeinsam einen Weg. Eine Lösung ist viel wahrscheinlicher, wenn sie von allen mitgetragen wird. Von der/dem Lernenden darf nun auch verlangt werden, sich externe Unterstützung zu suchen. 
    • Tauschen Sie sich mit anderen aus. Scheuen Sie sich nicht, selbst Rat zu holen. Die Sorge um die Entwicklung von Jugendlichen kann belastend sein. Der Rat professioneller Beratungsstellen entlastet Sie und zeigt Ihnen Unterstützungswege auf. 
    • Viele Lernende mit psychischen Auffälligkeiten sind in Behandlung. Ein Austausch mit den Behandlungspersonen kann sehr hilfreich sein – für beide Seiten. 
    • Prüfen Sie den Beizug der IV-Stelle oder des kantonalen Case Managements. Diese können mit Know-how und verschiedenen Massnahmen Unterstützung und Entlastung für Betroffene und Lehrbetriebe bieten. 

    Auch psychisch belastete Lernende können eine erfolgreiche Ausbildung haben. Entscheidend ist, wie die Beteiligten in solchen Situationen reagieren. 

    Autor:in 

    Text: Gesundheitsförderung Schweiz in Zusammenarbeit mit WorkMed sowie weiteren Autor:innen 

    Redaktion: Andrea Nussbaumer 

    Gesundheitsförderung Schweiz

    Gesundheitsförderung Schweiz ist eine Stiftung, die von Kantonen und Versicherern getragen wird. Mit gesetzlichem Auftrag initiiert, koordiniert und evaluiert sie Massnahmen zur Förderung der Gesundheit und zur Verhütung von Krankheiten (Krankenversicherungsgesetz, Art. 19). Die Stiftung unterliegt der Kontrolle des Bundes. Oberstes Entscheidungsorgan ist der Stiftungsrat. Die Geschäftsstelle besteht aus Büros in Bern und Lausanne. 

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