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«Die Instrumente der reformierten KV-Lehre schaffen mehr Nähe zwischen Berufs- und Praxisbildner:innen»

Thomas Rast begleitet als Berufsbildner seit über 10 Jahren Jugendliche während ihrer Lehrzeit bei der AXA Schweiz. Im Interview spricht er über die Erfahrungen im Betrieb mit Lernenden, die nach der neuen Berufsbildungsverordnung ausgebildet werden, über die Rolle der Berufs- und Praxisbildner:innen und wie die Jugendlichen mit den neuen Instrumenten auf die Zukunft vorbereitet werden.

Wie ist bei der AXA der Start in die reformierte KV-Lehre gelungen?

Gut – wir freuen uns darüber, mit den neuen Instrumenten arbeiten zu dürfen. In den letzten fünf Jahren haben wir Berufsbildner:innen uns in Arbeitsgruppen des Berufsbildungsverbands der Versicherungswirtschaft VBV regelmässig eingebracht und durften unter anderem auch die Praxisaufträge mitgestalten.

Wir haben auch viel in die Ausbildung unserer Praxisbildner:innen investiert – denn sie begleiten die Lernenden im Alltag und sind verantwortlich für ihre fachliche Ausbildung. So begannen wir bereits im Frühling 2023 mit «Learning Nuggets», also kurzen Ausbildungssequenzen zu den neuen Themen und Praxisaufträgen. Dadurch spürten auch die Praxisbildner:innen früh, dass die Reform viel Positives mit sich bringt und sie befähigt werden, die Lernenden noch besser zu begleiten.

Ebenfalls erfreulich ist, dass wir durch die reformbedingten Änderungen teilweise mehr Nähe zwischen Berufsbildner:innen und Praxisbildner:innen schaffen konnten – wir sind zum Beispiel neu konsequenter bei Qualifikationsgesprächen zwischen den Lernenden und den Praxisbildner:innen dabei.

«Durch die neue Reform konnten wir teilweise mehr Nähe zwischen Berufs- und Praxisbildner:innen schaffen.»
Thomas Rast, Berufsbildner bei der AXA Schweiz

Neu wird der Schwerpunkt auf die Ausbildung der Handlungskompetenzen gelegt. Was bedeutet dies für die AXA als Lehrbetrieb?

Die konsequente Ausrichtung der Ausbildung auf Handlungskompetenzen ist für uns als Ausbildungsbetrieb sicher die grösste Umstellung in der ganzen Reform. Früher gab es zwar auch Ziele, die die Lernenden erreichen mussten, aber sie wurden anders bewertet. Heute bewerten wir viel stärker die Entwicklung der Handlungskompetenzen und den Lernprozess.

Derzeit sind KV-Lernende nach zwei vollkommen unterschiedlichen Systemen in Ausbildung. Wie haben Sie das organisatorisch gelöst?

Als Startschuss zur neuen KV-Reform haben wir alle Praxisbildner:innen aus dem Unternehmen zu Informationssessions eingeladen. Wir haben die Teilnehmer:innen oberflächlich über die wichtigsten Neuerungen informiert. In einem zweiten Teil haben wir die Praxisbildner:innen, welche zuständig sind für das erste Lehrjahr, in ausführlichen Online-Schulungen befähigt. So waren sie vorbereitet für den neuen Jahrgang von Lernenden, die nach dem neuen System ihre Ausbildung machen.

Gleichzeitig laufen die bestehenden Lehrverhältnisse nach dem «alten» System weiter, welches gut eingespielt ist. Dies reduziert für uns den Aufwand, da der Übergang so Schritt für Schritt stattfindet. Dank vielen langjährigen Praxisbildner:innen, welche die alte Bildungsverordnung sehr gut kennen, war der Mehraufwand spürbar, aber gut tragbar.

Gab es intern auch Vorbehalte gegenüber der Reform? Wenn ja, wie konnten diese überwunden werden?

Spezifische Vorbehalte gab es bei uns eigentlich nicht. Insgesamt war die Stimmung positiv und wir freuten uns auf die neuen Instrumente. Muss eine Lernende als Teil eines Praxisauftrags zum Beispiel eine Prozessanleitung verfassen und kann sie diese dem nächsten Lernenden weitergeben, ist das eine absolut sinnvolle Aufgabe. Früher hingegen musste man vielleicht ein Kundengespräch simulieren, obwohl man in der Praxis selbst noch nie eines geführt hatte – das machte wenig Sinn im Alltag.

Natürlich ist noch nicht alles ausgereift. Ein Beispiel für einen Punkt, wo es unseres Erachtens noch Verbesserungspotenzial gibt, ist das Bewertungssystem. Es ist aber auch klar, dass bei einer Reform immer zuerst auch Praxiserfahrungen gesammelt werden müssen. Wir bringen uns da gerne auch ein und teilen unsere Erfahrungen mit dem Verband.

Was sind die ersten Erkenntnisse nach bald einem Jahr seit der Einführung der neuen KV-Lehre?

Der Beginn der Einführung war mit einem grossen Mehraufwand verbunden. Sich einzulesen, in neue Tools einzuarbeiten bzw. sich mit technischen Anpassungen in bestehenden Tools zurechtzufinden und mit neuen Bewertungsmethoden auseinanderzusetzen fordert und ist zeitaufwändig. Uns hat geholfen, dass wir bei der AXA unter den Praxisbildner:innen eine Community aufgebaut haben und uns zu unterschiedlichen Fragestellungen regelmässig austauschen. Am Anfang fehlten die Erfahrungswerte, doch inzwischen läuft es besser.

In Bezug auf die Anwendung der neuen Instrumente haben wir von Beginn weg einen engen Austausch mit den Lernenden gepflegt, um zu sehen, wie sie die Praxisaufträge angegangen sind und wie sie diese gelöst haben. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Lernenden sich zuerst zu lange Zeit gelassen hatten mit der Erarbeitung der Aufträge, weil ihnen noch die Erfahrungswerte fehlten. Das hat Stress verursacht und wir haben gelernt, dass wir die Lernenden frühzeitig auf die Praxisaufträge ansprechen und sie unterstützen müssen. Im zweiten Semester läuft dies nun bereits viel besser.

«Bei der AXA haben wir unter den Praxisbildner:innen eine Community aufgebaut und tauschen uns regelmässig zu unterschiedlichen Fragestellungen aus.»
Thomas Rast

Was finden Sie besonders gelungen an der betrieblichen Umsetzung der KV-Reform? Und wo sehen Sie noch Nachjustierungsbedarf?

Die Aufträge im Lehrbetrieb sind sehr praxisnah, das finde ich sehr gut. Allerdings ist die Orientierung für die Lernenden in der Berufsschule teilweise eine ziemliche Herausforderung.
Da im Unterricht breites Wissen unterrichtet wird, können die Lernenden nicht immer klar einordnen, um welches Fach es geht oder was genau an Prüfungen abgefragt wird. Nach neun Jahren Volksschule, wo Wissen stark fachbasiert geprüft wurde, ist das für die Jugendlichen eine grosse Umstellung. Das macht die Reform für die Berufsschulen vermutlich herausfordernder als für uns als Lehrbetrieb. Wir haben natürlich neue Instrumente erhalten, verglichen mit den Änderungen an den Berufsschulen hat sich unsere Arbeit aber weniger verändert. Wir begleiten in erster Linie nach wie vor die Lernenden auf ihrem Weg von der Schul- in die Erwachsenen- bzw. Berufswelt.

Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf als Berufsbildner?

Für mich gibt es keinen schöneren Beruf. Ich darf Jugendliche auf ihrem Weg in die Berufs- und Erwachsenenwelt begleiten. Wenn sie zu uns kommen, sind sie eigentlich noch Kinder. Und drei Jahre später feiern wir mit jungen Frauen und Männern den Lehrabschluss. Die Lernenden machen in dieser Zeit eine riesige Entwicklung durch. Sie dabei zu unterstützen, in guten wie in herausfordernden Zeiten – und dabei direkt von den Lernenden Feedback zu bekommen, ist extrem motivierend und sinnstiftend.


Veröffentlicht am: 28.5.2024
Fotocredit: AXA/André Maxton

Aufgaben von Berufs- und Praxisbildner:innen

  1. Berufs- und Praxisbildner:innen von jungen KV-Lernenden haben eine überaus anspruchsvolle Führungsaufgabe. Sie begleiten und betreuen Lernende während ihrer Lehrzeit, beurteilen ihre Kompetenzentwicklung und stellen insgesamt die betriebliche Ausbildung sicher. Als solches sind sie mitverantwortlich für den Branchennachwuchs und benötigen Wissensimpulse und Quersupport.

    Darüber hinaus ist im Sommer 2023 die neue KV-Lehre – nach sechs Jahren intensiver Vorbereitung – in Kraft getreten. Die Reform verbindet bewährte Elemente der heutigen Ausbildung mit notwendigen Innovationen und stellt somit die Weiterentwicklung des Berufs im Zeitalter der Digitalisierung sicher. Neu liegt der Fokus für Lehrbetriebe und Schulen ganzheitlich auf den Handlungskompetenzen, welche gezielt von den Berufs- und Praxisbildner:innen gefördert werden.

    Mit seiner Fachgruppe wbp bietet der Kaufmännische Verband Schweiz den Berufs- und Praxisbildner:innen von KV-Lernenden gezielte, praxisnahe Unterstützung für den Berufsalltag. Die Fachgruppe wbp vernetzt Menschen aus unterschiedlichen kaufmännischen Branchen und Regionen und sorgt dank zahlreicher praxisbezogener Angebote und Veranstaltungen für deren Wissens- und Erfahrungsaustausch. Hauptziel ist es, die Aufmerksamkeit und Wertschätzung der Berufs- und Praxisbildner:innen in der Arbeitswelt zu stärken.  

    Mehr dazu: kfmv.ch/wbp

Über Thomas Rast

Thomas Rast arbeitet seit über 10 Jahren als Berufsbildner bei der AXA Schweiz. Er ist zuständig für die Ausbildung der Lernenden der KV-Lehre sowie für die Fachleute Kundendialog am Hauptsitz der AXA in Winterthur. Er begann seine Karriere im Jahr 1999 bei der damaligen Winterthur Versicherung mit einer Lehre als Kaufmann. Dann arbeitete er als Produktentwickler und Projektleiter im Bereich der allgemeinen Haftpflichtversicherung, bevor er ins HR wechselte und seither Jugendliche während ihrer gesamten Lehrzeit im Betrieb betreut.

Über die AXA Schweiz

Die AXA Schweiz beschäftigt 14 Berufsbildner:innen, die aktuell 224 Lernende in der ganzen Schweiz betreuen. Diese verteilen sich auf die Grundbildungen Kaufmann/Kauffrau EFZ, Fachmann/Fachfrau Kundendialog EFZ, Informatiker:in Fachrichtung Applikationsentwicklung und Informatiker:in Fachrichtung Betriebsinformatik. Ab dem Sommer 2024 bietet die AXA zudem neu die Ausbildung zum Fachmann bzw. zur Fachfrau Betriebsunterhalt an.

Mehr dazu: axa.ch

Kampagne «mini Lehrzyt»

Der Kaufmännische Verband Schweiz begleitet die vier Lernenden Chloe, David, Dylan und Nari während ihrer Lehrzeit. Sie berichten zweimal jährlich über ihren Lehralltag und die Erfahrungen in der Schule und im Betrieb. Dabei erfahren wir, was sie sich von ihrer Lehrzeit erhoffen, mit welchen Herausforderungen sie konfrontiert werden und wie sie sich auf den Berufsalltag vorbereiten.

Die Lernenden haben ihre Lehre im August 2023 angefangen und arbeiten nach dem System der neuen KV-Reform. Neben dem Fokus auf Handlungskompetenzen eignen sie sich Fachwissen und Fähigkeiten an, die sie auch branchen- und berufsübergreifend einsetzen können. Damit ihnen nach der Lehrzeit alle Möglichkeiten offenstehen.

Jetzt entdecken! 

«mini Lehrzyt» – Eine Lehre fürs Leben

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