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KV-Reform: Mehr Praxisbezug in der Berufsfachschule
Leoni Hertig ist Berufsschullehrerin an der HKV Aarau. Mit der Reform der kaufmännischen Grundbildung hat sich an der Art und Weise, wie sie als Lehrperson Inhalte vermittelt, einiges verändert. Doch der Kern bleibt gleich: Die Jugendlichen auf den Beruf und auf das Leben vorzubereiten.
Leoni begann ihre Lehrerinnenkarriere am Gymnasium und an der Berufsschule, bevor sie sich vollständig auf Letztere konzentrierte. Sie schätzt den engen Austausch mit den Lernenden, der oft über fachliche Themen hinausgeht und auch Lebensfragen umfasst. «Jugendliche in der Lehre sind den Umgang mit Erwachsenen gewohnt und haben keine Berührungsängste», sagt sie. Die Schule biete ihnen eine willkommene Abwechslung zum Arbeitsalltag, worauf sich die meisten freuen würden.
Aktuell im zweiten Schuljahr der Umsetzung der neuen KV-Reform, berichtet Leoni, dass der Start der neuen KV-Ausbildung an der HKV Aarau im Grossen und Ganzen erfolgreich verlaufen sei. Die Vorbereitungszeit sei von Unsicherheiten geprägt gewesen, aber je näher die Umsetzung rückte, desto klarer wurden die Informationen, wenn auch oft kurzfristig. Leoni war der Reform gegenüber offen eingestellt, wie sie berichtet. «Ein gewisser Umgang mit Ungewissheit gehört auch im Lehrerberuf dazu», sagt sie.
«Je näher die Umsetzung der Reform rückte, desto klarer wurden die Inhalte.»Leoni Hertig, Berufsschullehrerin, HKV Aarau
Im Kollegium eigene Lerninhalte ausgearbeitet
Trotz der Herausforderungen brachte die Situation auch positive Aspekte mit sich, wie Leoni ausführt: «Da die Lehrmittel erst spät verfügbar waren, entwickelten wir im Kollegium eigene Inhalte mit praxisnahen Fallbeispielen und integrierten diese in unser schuleigenes Learning Management System (LMS).» Diese neue Art der Zusammenarbeit habe das Kollegium grundlegend verändert. Die neuen Module stünden nun der gesamten Schule zur Verfügung. «Dieses Anpacken hat gezeigt, welche kreativen Kräfte freigesetzt werden, wenn man über seinen eigenen Aufgabenbereich zusammenarbeitet», sagt sie begeistert.
Unterricht mit Schwerpunkt auf Handlungskompetenzen
Die Umsetzung der neuen Ausrichtung auf Handlungskompetenzen sei anfangs nicht einfach gewesen, berichtet Leoni. «Die Jugendlichen sind es gewohnt, geführt zu werden, manchmal sogar sehr eng. In diesem Kontext die Zügel loszulassen und den Erstlehrjahrlernenden zu vermitteln, dass sie für ihren eigenen Lernprozess verantwortlich sind, empfand ich als herausfordernd.» Mittlerweile zeige sich jedoch, dass die Jugendlichen im zweiten Lehrjahr schon viel besser mit der neuen Arbeitsweise umgehen könnten. Man sehe deutlich, wie selbständig sie inzwischen geworden seien.
Einen besseren Einblick in die Tätigkeiten im Lehrbetrieb
Mit der Reform würden die Lehrpersonen viel stärker fallbasiert arbeiten und sich näher an den tatsächlichen Berufsbildern der Jugendlichen orientieren, sagt Leoni weiter. «Dadurch bekomme ich als Lehrperson einen besseren Einblick in ihre Tätigkeiten im Betrieb, was mich näher an die Praxis bringt – insbesondere, da ich selbst keine kaufmännische Lehre absolviert habe». Der Unterricht sei jetzt stärker projektbasiert, indem die Klassen bestimmte Handlungskompetenzen und ein spezifisches Thema über zehn bis 15 Lektionen hinweg behandelten – von der Einführung über ein Konzept bis hin zu Präsentation und Reflexion.
«Durch den Fokus auf die Handlungskompetenzen bekomme ich als Lehrperson einen besseren Einblick in die Tätigkeiten der Jugendlichen.»Leoni Hertig, Berufsschullehrerin, HKV Aarau
Die Leistungsniveaus unterscheiden sich
Leoni sieht die Abschlussprüfungen als Unsicherheitsfaktor. Diese standen zum Zeitpunkt des Interviews im September 2024 noch nicht fest; Die ersten Nullserien wurden Anfang Oktober veröffentlicht (vgl. News-Meldung vom 7.10.2024). «Wir bereiten die Lernenden vor allem auf den Berufsalltag und das Leben vor, aber das EFZ ist am Ende wichtig. Prüfungen folgen einem bestimmten Schema, das man üben muss», erklärt Leoni. Ausserdem entfalle die Promotion: Statt in den bisherigen B-, E- und M-Profilen – also dem Basisprofil, dem erweiterten Profil und dem erweiterten Profil mit Berufsmaturität – unterrichten die Berufsfachschulen nur noch ein Anforderungsprofil sowie in Berufsmaturitätsklassen (BM). Dieses Zusammenlegen von B- und E-Profilen bereitet Sorgen, da die Leistungsniveaus unterschiedlich seien. «Lernende mit schlechteren Leistungen könnten die Qualifikationsverfahren mit Abschlussprüfung nicht bestehen und am Ende ohne Abschluss bleiben», sagt sie.
Inhalte werden auf neue Art und Weise vermittelt
Der Job hingegen habe sich weniger verändert als zunächst erwartet, erzählt Leoni. «Obwohl ich nun Handlungskompetenzbereiche – kurz HKB – A, B und C unterrichte statt Wirtschaft und Gesellschaft, bleibt der pädagogische und didaktische Kern gleich». HKB A beinhaltet das «Handeln in agilen Arbeits- und Organisationsformen», HKB B die Fähigkeiten rund um das «Interagieren in einem vernetzten Arbeitsumfeld, und HKB C das «Koordinieren von unternehmerischen Arbeitsprozessen». Die Inhalte jedoch seien anders als früher: Einige Themen würden entfallen, andere kämen hinzu, und vieles werde auf eine neue Art und Weise vermittelt, fügt Leoni an.
«Das Kerngeschäft bleibt gleich: der menschliche, pädagogische und didaktische Fokus.»Leoni Hertig, Berufsschullehrerin, HKV Aarau
Schrittweiser Übergang zum neuen Lehrplan
Im ersten Schuljahr der Reform unterrichtete Leoni sowohl eine Reformklasse als auch vier Klassen nach dem alten Modell. Dadurch sei der Übergang zum neuen Lehrplan schrittweise erfolgt, was ihr als Lehrperson geholfen habe, sich langsam an das neue System zu gewöhnen. Derzeit würde noch etwa die Hälfte ihrer Klassen nach dem alten Modell laufen, bevor im nächsten Schuljahr der vollständige Wechsel anstehe. Darauf freut sich Leoni: «Dann können wir uns definitiv voll auf das neue System einstellen.»
Veröffentlicht am: 14.11.2024
Foto: zVg
Autor:in: Sibylle Zumstein
Über Leoni Hertig
Leoni kam über den akademischen Weg zur Berufsbildung. Sie studierte zuerst an der Uni und absolvierte dann die pädagogische Hochschule. Zu Beginn ihrer Lehrerinnenkarriere unterrichtete sie währen zwei Jahren sowohl am Gymnasium wie auch an der Berufsfachschule HKW Aarau, wo sie seit fünf Jahren Vollzeit arbeitet und fünf Klassen unterrichtet.
Über die HKV Aarau
An der HKV Aarau werden rund 1750 Lernende ausgebildet. Neben der kaufmännischen Grundbildung bietet die HKV Aarau auch eine Berufsbildung im Detailhandel, Fachleute Apotheke, Pharma-Assistenz und BM2 (Typ Dienstleistung) an. Die Schule zählt 90 Lehrpersonen. Die HKV Aarau hat zudem ein grosses Weiterbildungsangebot.
Kampagne «mini Lehrzyt»
Der Kaufmännische Verband Schweiz begleitet die vier Lernenden Chloe, David, Dylan und Nari während ihrer Lehrzeit. Sie berichten zweimal jährlich über ihren Lehralltag und die Erfahrungen in der Schule und im Betrieb. Dabei erfahren wir, was sie sich von ihrer Lehrzeit erhoffen, mit welchen Herausforderungen sie konfrontiert werden und wie sie sich auf den Berufsalltag vorbereiten.
Die Lernenden haben ihre Lehre im August 2023 angefangen und arbeiten nach dem System der neuen KV-Reform. Neben dem Fokus auf Handlungskompetenzen eignen sie sich Fachwissen und Fähigkeiten an, die sie auch branchen- und berufsübergreifend einsetzen können. Damit ihnen nach der Lehrzeit alle Möglichkeiten offenstehen.
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Kaufmännischer Verband Schweiz