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Offshoring und Digitalisierung (2016)
Offshoring und Digitalisierung führen zu anspruchsvolleren Jobprofilen, können aber auch Arbeitsplätze im kaufmännischen Bereich gefährden. Dies ergaben zwei im Auftrag des Kaufmännischen Verbands Schweiz mit der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich, Infras und der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung EHB im November 2016 durchgeführte Studien zu den Trends Offshoring und Digitalisierung und ihren Auswirkungen auf die kaufmännischen Berufe in der Schweiz.
Offshoring-Studie
Neue Kompetenzen sind gefordert
Die erste Studie mit Infras und der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung EHB zeigt, dass potenziell 30'000 bis 100'000 Jobs im kaufmännischen Bereich gefährdet sind. Sie könnten aufgrund der repetitiven Tätigkeiten, dem Kostendruck in gewissen Branchen und globalisierten Unternehmensstrategien ins Ausland verlagert werden. Die Anzahl der betroffenen Arbeitsstellen genau vorherzusagen, ist schwierig, da die Digitalisierung das Offshoring verstärkt oder gar ersetzt.
Vom Dienstleistungs-Offshoring sind besonders die Bereiche Rechnungswesen, IT, Kundenbetreuung, Human Resources, Business Management und Procurement betroffen. Die kaufmännischen Tätigkeiten, die in der Schweiz erhalten bleiben, werden sich laut Studie von ausführenden zu koordinierenden, analytischen und strategischen Tätigkeiten entwickeln und fordern von den kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen Angestellten neue Kompetenzen.
Digitalisierungs-Studie
Kaufmännische Angestellte 4.0
Die zweite Studie mit der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich zeigt, dass sich die Digitalisierung auf die gesamte Arbeitswelt und alle Berufsbilder auswirkt. In Bezug auf die kaufmännischen Berufe kommt sie zum Schluss, dass sich diese zu Querschnittsfunktionen entwickeln, bei denen koordinierende Tätigkeiten immer wichtiger werden. Routineaufgaben werden zunehmend automatisiert. Neu sind Menschen gefragt, die über hohe Sozialkompetenzen verfügen, mit neuen Technologien und Kunden umgehen können und sich neben einer guten Allgemeinbildung in einem Fachgebiet spezialisiert haben. Die Spezialisierung findet dabei innerhalb von Funktionen und nicht mehr entlang von Branchen statt, da die Bedeutung von Branchen aufgrund der Digitalisierung schwindet.
Auch werden die Arbeitsverhältnisse dynamischer. Arbeitnehmende werden zu Vermittlern, Managern und «Portfolioworkern» und künftig öfter projektbasiert beschäftigt statt fest angestellt. Die Teams werden sich deshalb immer wieder neu zusammensetzen. «Aufgrund der neuen Wirtschaftsmodelle und Organisationsstrukturen müssen sich kaufmännisch-betriebswirtschaftliche Angestellte von Sacharbeitenden zunehmend zu Vermittlern und Managern entwickeln, die mit komplexen Aufgaben umgehen und Ideen und Informationen bei verschiedenen Adressaten verständlich machen können», sagt Prof. Dr. Sybille Sachs, Studienverantwortliche und Leiterin des Institutes für Strategisches Management an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich. «Die Arbeit wird interessant, kreativ, wenig repetitiv, aber auch sehr anspruchsvoll.»
«Die Arbeit wird interessant, kreativ, wenig repetitiv, aber auch sehr anspruchsvoll.»Prof. Dr. Sybille Sachs
Handlungsfelder
Der kaufmännische Beruf steht vor einem starken Wandel. Deshalb hat der Kaufmännische Verband Schweiz sechs Handlungsfelder skizziert, die dazu beitragen sollen, dass die kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen Angestellten die Herausforderungen des Wandels meistern können. Damit will der Verband sicherstellen, dass die kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen Angestellten auch in Zukunft gefragte Arbeitskräfte sind.
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Der Kaufmännische Verband setzt sich dafür ein, dass in der Aus- und in der Weiterbildung die Vermittlung von Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz einen noch wichtigeren Stellenwert erhalten. So werden beispielsweise vernetztes Denken, Kommunikations- oder Lösungskompetenzen in Zukunft noch bedeutender werden. Zudem muss bereits in der KV-Lehre ein fundiertes Verständnis für digitalisierte Geschäftsmodelle, Kundenorientierung und den Umgang mit digitalen Medien vermittelt werden. Diese Diskussionen werden wir in den Trägerschaften des Berufsbilds «Kaufmann/frau EFZ» anstossen und gemeinsam mit den verschiedenen Partnern Lösungen entwickeln.
Unsere Studien zeigen, dass in Zukunft kaufmännisch-betriebswirtschaftliche Angestellte in Funktionen arbeiten, wo Generalisten-Wissen mit vertieftem Fachwissen gefragt ist – das sogenannte «T-Shape-Wissen». Das bedeutet, dass auch über den Aufbau und die Struktur der Aus- und Weiterbildungen gesprochen werden muss und wir neue, innovative Modelle denken möchten. In der höheren Berufsbildung wollen wir zusammen mit unseren Schulen klären, wie wir die Berufsbildung so weiterentwickeln können, dass wir individuell aufbauende und kürzere Weiterbildungen entlang des gesamten Erwerbslebens anbieten können. So wie dies der tertiäre Ausbildungsweg bereits kennt.
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Kompetenzen, die durch «learning by doing» erworben werden, werden immer wichtiger. Wir wollen deshalb ein generell anerkanntes und einfach einsetzbares Kompetenzprofil für den kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen Bereich prüfen, welches die Kompetenzen anerkennt, die über herkömmliche Bildungsabschlüsse hinausgehen. Mit diesem Kompetenzprofil wird die Transparenz auf dem Markt erhöht. Dieses soll den Angestellten, aber auch den Schulen, Trägerschaften und Unternehmen dazu dienen, die fachlichen wie übergreifenden Kompetenzen der Bewerber/innen einzuschätzen. Das Profil gibt Antworten auf Fragen wie: Was steckt hinter einem Abschluss? Welche Kompetenzen hat der Bewerber ausserhalb des Berufes erworben? Welche Kompetenzen hat die Bewerberin on the job erworben, die nicht formal festgehalten sind?
Das Dossier kann in einem ersten Schritt als Ergänzung zu den klassischen Bewerbungsunterlagen genutzt werden. Die Wirtschaft entwickelt sich im Zuge der Digitalisierung zunehmend hin zu Peer-to-peer-Angeboten und plattform- und kompetenzorientiertem Handeln, wo Arbeitnehmende ihre Kompetenzen projektbasiert und allenfalls mehreren Unternehmen gleichzeig anbieten, während Unternehmen Mitarbeitende häufiger nur für ein Projekt engagieren. Es besteht also die Möglichkeit, dass ein solches Kompetenzprofil in Zukunft den klassischen CV ersetzt.
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Der Kaufmännische Verband ist in über 20 Berufsbildern als Träger engagiert, so ist er zum Beispiel Mitträger in der Grundbildung, beim HR-Fachausweis, beim Fachausweis Rechnungswesen und Controlling, beim Rahmenlehrplan Rechtsassistenz oder bei der Berufsprüfung Direktionsassistenz. Wir werden uns in unserer Rolle als Organisation der Arbeitswelt (OdA) für die notwendigen Reformen einsetzen, damit die Inhalte der Berufsbilder wie auch die Strukturen der Trägerschaften den Auswirkungen von Offshoring und Digitalisierung, insbesondere dem sich schnell und dynamisch verändernden Umfeld, angepasst werden.
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Im Verlauf der beruflichen Entwicklung erleben viele Angestellte kritische Phasen. Es sind konkret folgende: der Übergang von der Lehre zur ersten Anstellung, die Orientierung in der «Rush-Hour des Lebens», der Wiedereinstieg nach der Familienphase, die Neuorientierung und/oder Aktualisierung der Arbeitsmarktfähigkeit ab 45 sowie die Beschäftigung ab 55 bis zur Pensionierung.
Wir sind deshalb gefordert, unser bestehendes Beratungs- und Informationsangebot zu überprüfen. In einem ersten Schritt ist das Angebot hinsichtlich der Herausforderungen, vor denen die kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen Angestellten im Rahmen des Offshoring-Trends stehen, zu aktualisieren. Das gesamte Beratungsangebot des Kaufmännischen Verbandes wird vor dem Hintergrund der Studienergebnisse überprüft. Schnittstellen, insbesondere zwischen der Jugend-, Weiterbildungs- sowie Laufbahn- und Karriereberatung werden analysiert, um unseren Beratungsansatz im Sinne der verschiedenen Phasen des Erwerbslebens integral und integrativ auszugestalten.
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Als engagierter Angestelltenverband unterschiedlichster Branchen werden wir Unternehmen auch im Rahmen unserer über 40 Sozialpartnerschaften auffordern, kaufmännische Angestellte weiterzuentwickeln, um ihre Arbeitsmarktfähigkeit bestmöglich zu erhalten. Unternehmen sollen insbesondere Weiterbildungen ermöglichen, welche neben Fachwissen auch das Hinterfragen von Bestehendem und die Übersetzungskompetenz in verschiedene Fachgebiete erlauben. Auch wollen wir sie über die Vorzüge aber auch die Herausforderungen der kaufmännischen Berufsbildung informieren. Gerade in international geprägten Unternehmungen besteht die Gefahr, dass das Commitment für die kaufmännische Lehre respektive zur Anstellung von Lernenden abnimmt.
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Der Verband wird sich auf politischer Ebene – und damit leite ich zum Präsidenten über – für gleich lange Spiesse bezüglich der öffentlichen Finanzierung von Hochschulen und Berufsbildung einsetzen.
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