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«Soft Skills erhalten die Arbeitsmarktfähigkeit»
Die neueste Lehrabgänger:innen-Umfrage des Kaufmännischen Verbands Schweiz untersucht das Thema «Soft Skills». Dabei geht es um zwischenmenschliche und persönliche Kompetenzen, die Kaufleute im heutigen Berufsalltag benötigen. Svenja Albrecht, Projektmitarbeiterin Bildung, hat die Resultate analysiert und weiss, wie sich die Lernenden in Bezug auf Soft Skills auf die Arbeitswelt vorbereitet fühlen – und welches die Herausforderungen sind.
Was versteht man eigentlich unter «Soft Skills»?
«Soft Skills» beziehen sich auf unterschiedliche Kompetenzen. Es handelt sich um eine Mischung aus persönlichen, emotionalen und sozialen Fähigkeiten. Im Gegensatz zu «Hard Skills», mit denen Fakten- und Fachwissen gemeint sind, geht es bei Soft Skills um zwischenmenschliche und soziale Kompetenzen. Dazu zählen Kommunikationsfähigkeiten, kreatives Denken, Teamarbeit oder Selbstmanagement. In der Theorie wird zwischen interpersonalen und intrapersonalen Fähigkeiten unterschieden. Mit interpersonal ist der Umgang zwischen- und miteinander gemeint, während intrapersonal sich auf das eigene Innenleben, wie den Umgang mit Stress oder die Bewältigung verschiedener Emotionen, bezieht.
Warum braucht es Soft Skills, um in der Arbeitswelt der Zukunft zu bestehen?
Soft Skills sind wichtige Fähigkeiten, um die eigene Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten. Der Arbeitsmarkt und das Arbeitsumfeld verändern sich, getrieben durch die Technologisierung und auch durch grosse Veränderungen wie New Work. Dies bedingt eine grosse Anpassungsfähigkeit vonseiten Arbeitnehmer:innen. Nehmen wir zum Beispiel die Entwicklung «Industrie 5.0»: Nach der Vernetzung von Systemen und Produkten in der vierten industriellen Revolution («Industrie 4.0») kommt nun der Faktor Mensch wieder stärker ins Spiel. Dabei geht es um die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Technologie oder zwischen Mensch und Maschinen. Um mit diesen Entwicklungen mitzuhalten, braucht es Soft Skills und eine grosse Portion Flexibilität. In Bezug auf den Beruf der Kaufleute geht es hier in erster Linie um den Umgang mit digitalen Tools und die mögliche Automatisierung von Routinearbeiten mittels künstlicher Intelligenz.
«Zu Soft Skills gehören Fähigkeiten wie Kommunikation, Flexibilität, kreatives Denken oder Stressbewältigung.»Svenja Albrecht
Was bedeutet dies für das Fachwissen?
In Zeiten von New Work helfen Soft Skills bei der Arbeitsorganisation, beim Wechsel zwischen Remote Arbeit und der physischen Präsenz im Team, oder bei der Abgrenzung zwischen Arbeits- und Privatleben. Die zunehmende Bedeutung von Soft Skills heisst aber nicht, dass Fachwissen nicht länger relevant ist. Dieses wird weiterhin wichtig bleiben, aber die Halbwertszeit wird kürzer – das Wissen veraltet schneller. Gleichzeitig muss man komplexe Abläufe und Prozesse verstehen, und Probleme oder Herausforderungen in einem grösseren Kontext sehen können. Dabei kommt das vernetzte Denken ins Spiel, eine weitere zentrale Fähigkeit.
In der aktuellen Lehrabgänger:innen-Umfrage (Vgl. Infobox) steht das Thema «Soft Skills» im Zentrum. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse?
Über die Hälfte der Befragten kannte den Begriff «Soft Skills» gar nicht. Das fand ich spannend. Man könnte natürlich auch sagen: Fast die Hälfte der Befragten kannte den Begriff (lacht). In der Umfrage kam heraus, dass von den Soft Skills das kreative Denken und die Stressbewältigung am meisten Mühe bereiten. Den Berufseinsteiger:innen fällt der Eintritt in die New-Work-Arbeitswelt von heute also nicht automatisch in allen Bereichen leicht. An diesen Themen müssen sicher auch die Arbeitgeber:innen und die Ausbildner:innen dranbleiben. Etwa mit Angeboten zur Stressbewältigung, oder mit der Förderung der kreativen Seite von Lernenden und Mitarbeitenden. Denn der KV-Beruf kann durchaus sehr kreativ sein – vielleicht sogar mehr, als es dies die Lernenden mitunter wahrnehmen. Insgesamt fühlen sich die Lernenden gut auf die Arbeitswelt vorbereitet, auch in Bezug auf die Soft Skills. Das ist sehr erfreulich und spricht für das KV als ideale Grundlage für das Berufsleben.
Soft Skills werden immer wichtiger. Was bedeutet dies für die Zukunft der kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen Berufe?
Die Arbeit im Team wird in Zeiten von New Work immer wichtiger – auch wenn oder gerade dann, wenn man zum Teil vor Ort, hybrid oder remote arbeitet. Ebenso die Kundenkommunikation – sei es am Telefon, in einer Videokonferenz oder physisch. Soft Skills braucht man auch beim projektbasierten Arbeiten. Man muss kommunizieren, Tools bewirtschaften, Beziehungen pflegen, Themen ansprechen, Probleme lösen können. Reine fachliche Expertise reicht dafür nicht aus.
Die neue KV-Reform ist seit August 2023 in Kraft. Dabei liegt der Fokus auf der Handlungskompetenzorientierung. Beinhaltet dies auch das Vermitteln von Soft Skills – und wie wird dies gelehrt?
Absolut, das Vermitteln von Soft Skills ist ein Bestandteil der Handlungskompetenzorientierung. Neben den fachlichen Vorgaben gehören auch kommunikative Fähigkeiten und inter- sowie intrapersonale Kompetenzen dazu. Dabei geschieht die Vermittlung dieser Fähigkeiten in der Lehre praxisnah – die Lernenden spielen reale Fälle durch, um auf die Arbeitswelt vorbereitet zu sein. Im Handlungskompetenzbereich B «Interagieren in einem vernetzten Arbeitsumfeld» etwa geht es um die Interaktion im Team und die Fähigkeit, in Fachdiskussionen Inputs geben zu können. Dazu braucht es beides: Soft Skills und Fachwissen.
Erstmals veröffentlicht am: 12.4.2024
Autor:in: Sibylle Zumstein
«Die Bedeutung von Soft Skills nimmt zu – aber Fachwissen bleibt wichtig. Es braucht beides, um mit Komplexität umzugehen.»Svenja Albrecht
Zur Person
Svenja Albrecht ist Projektmitarbeiterin Bildungspolitik beim Kaufmännischen Verband Schweiz. Sie studiert Erziehungswissenschaften an der Universität Zürich und steht kurz vor ihrem Masterabschluss.
Infobox
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Der Kaufmännische Verband Schweiz befragt seit über 15 Jahren die KV-Abgänger:innen in der Schweiz. Der Übertritt von der Lehre ins Berufsleben stellt für Jugendliche eine grosse Herausforderung dar. Ob es gelingt, eine befriedigende Anschlusslösung zu finden, kann entscheidenden Einfluss auf die spätere Berufslaufbahn haben. Deshalb legt der Kaufmännische Verband Schweiz besonderen Wert auf diese Schnittstelle. Konkret untersucht die Studie die Arbeitsbedingungen während der Lehre, den Berufseinstieg und die Zukunftspläne der Absolvierenden. Hierfür wurden die EBA- und EFZ-Absolvierenden der betrieblich organisierten Grundbildung (BOG) und der schulisch organisierten Grundbildung (SOG) jeweils im Juli und November 2023 befragt. An der Umfrage nahmen insgesamt rund 3900 Personen teil.
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Im Hinblick auf die neue KV-Lehre, die im Sommer 2023 nach sechs Jahren intensiver Reformprozesse gestartet ist, hat der Kaufmännische Verband Schweiz bei der diesjährigen Lehrabgänger:innen-Umfrage ausserdem die Bedeutung und das Erlernen von Soft Skills untersucht. Soft Skills sind persönliche Stärken, die beeinflussen, wie gut wir mit anderen zusammenarbeiten, kommunizieren und Probleme lösen können. Zwar kennt gut die Hälfte der KV-Lehrabgänger:innen den wissenschaftlichen Begriff nicht, versteht aber worum es geht und verfügt über ein Bewusstsein dafür, dass es im Berufsleben einen gesunden Mix aus Soft Skills und Hard Skills braucht. Die Bedeutung von Soft Skills nimmt zu und wird auch immer offensichtlicher, vor allem beim Recruiting neuer Talente, kommuniziert.