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Auf dem Rechtsweg

Die berufliche Laufbahn von Sara Fritz – dazu gehört auch eine KV-Lehre – ist bisher nicht nach Plan A verlaufen, trotzdem gibt es darin einen roten Faden: das Interesse für die Rechtsprechung.

Sara Fritz ist 36 Jahre alt. Ihr Bildungsweg – dazu gehört auch eine KV-Lehre – verlief bisher eher nicht geradlinig, während längerer Zeit war es für sie nicht möglich, in der Schweiz zu studieren. Doch manchmal können sich Verhältnisse ändern und es tun sich neue Möglichkeiten auf. Der entscheidende Hinweis kam von ihrem Vater. Er machte sie darauf aufmerksam, dass man unter gewissen Voraussetzungen an der Uni Bern auch ohne Matura studieren kann.

Britische Matura

Obwohl: Sara Fritz hat eigentlich eine Matura, aber eine britische. Und die wird in der Schweiz nicht anerkannt. Das Privat-Gymnasium nach britischem System war damals, als sie es besuchte, neu in der Schweiz und man habe schon gewusst, dass es ein Problem mit dem Abschluss geben könnte, erinnert sie sich. Und so war es denn auch. Gut ein Jahr vor Abschluss wurde bekannt, dass diese nicht anerkannt würde. Sara Fritz liess sich davon nicht beirren, absolvierte 2005 die Matura und sagte sich, dass sie schliesslich auch in Deutschland studieren könnte. Freiburg war naheliegend.

Sie bekam einen der begehrten Studienplätze für Jura an der Albert-Ludwigs-Universität und begann zu studieren. Während eines Jahres pendelte sie zwischen Basel und Freiburg. «So richtig Fuss gefasst habe ich in Freiburg aber nie.» Die Verhältnisse seien ihr zu fremd gewesen, mit dem anonymen Uni-Alltag tat sie sich schwer. Nach einem Jahr brach sie das Studium ab und legte ein Zwischenjahr ein. «Während einiger Monate wusste ich überhaupt nicht mehr, wie es weitergehen sollte.»

Eines Tages entdeckte sie im Internet eine Anzeige für eine KV-Lehrstelle in einer Anwaltskanzlei. Das interessierte sie. Sie bewarb sich und erhielt ganz kurzfristig eine Zusage für die Lehrstelle in einer kleinen Kanzlei beim Bahnhof Basel. «Es war damals für mich nicht ganz einfach, das Projekt Studium zugunsten einer Berufslehre aufzugeben», sagt sie. Das habe schon etwas an ihrem Stolz genagt. Auch sei es ihr vorgekommen, als habe sie die Matura umsonst gemacht.

«Es war damals für mich nicht ganz einfach, das Projekt Studium zugunsten einer Berufslehre aufzugeben.»
Sara Fritz über ihren Wechsel vom Studium zur KV-Lehre:

Spannende Lehrzeit

«Doch dann fing ich mit der Lehre an und war von Anfang an sehr glücklich damit.» Sie war 23 Jahre alt. Klar habe sie in der Berufsschule manchmal gemerkt, dass sie schon einige Jahre älter sei, etwa wenn die anderen von ihren ersten Ferien ohne Eltern erzählten, aber ein Problem sei das nie gewesen. Und sie fand es angenehm, dass sie ohne viel Aufwand zu betreiben sowohl in der Berufsschule wie auch am Arbeitsplatz gute Noten erhielt. Die Arbeit in der Kanzlei fand sie spannend. Häufig musste sie Texte ab Diktat schreiben, zum Beispiel Briefe an Klienten, an Gegenanwälte, aber auch Klagen und Gerichtseingaben. «Mich hat dabei der Inhalt immer sehr interessiert und ich konnte durch das Abtippen viel lernen.» Dabei habe es ihr geholfen, dass sie von ihrem Studium her mit der Juristerei schon ein wenig vertraut war. «Und durch den Einblick in die Praxis machte auch vieles, was ich an der Uni an Theorie gelernt hatte, plötzlich Sinn.»

2011 absolvierte sie die Lehrabschlussprüfung. Das sei keine grosse Sache gewesen, auch weil sie gute Vornoten hatte. Von Anfang an war klar, dass sie nicht im Lehrbetrieb würde bleiben können. Sie wollte sich wiederum für eine Stelle in einer Anwaltskanzlei bewerben. Denn eines war mittlerweile klar: «Ich war auf dem richtigen Weg.» Da es nur wenige KV-Absolventen im Anwaltsbereich gibt, war es für sie leicht, etwas Neues zu finden. Sie verschickte vier Bewerbungen, wurde viermal zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und hätte alle Stellen haben können. Dass Lehrstellen in der Advokaturbranche rar sind, hängt ihrer Meinung nach damit zusammen, dass viele Anwälte das duale System zu wenig kennen oder den Betreuungsaufwand scheuen. So würden oft Assistentinnen – in den seltensten Fällen handelt es sich um Männer – mit einer anderen Branchenausbildung angestellt. Anderseits aber seien auch viele Büros zu klein, um auszubilden

«Doch dann fing ich mit der Lehre an und war von Anfang an sehr glücklich damit.»
Sarah Fritz über ihren Lehrstart:

Erfolgreicher Berufseinstieg

Sie entschied sich für eine grosse Anwaltskanzlei mit rund 25 Anwälten und gut ebenso vielen weiteren Angestellten, wiederum in Basel. «Ich wollte herausfinden, worin der Unterschied zu einem kleinen Anwaltsbüro liegt.» Während der Lehre war sie ausser dem Schreiben nach Diktat und dem Erledigen von allgemeinen Büroarbeiten auch zuständig für den Empfang der Klienten sowie den Telefondienst, aber auch für das Kaffeeservieren, Pflanzengiessen und Einkaufen. «Es gehörte einfach dazu, meine Ausbildnerin machte das auch.» Am neuen Arbeitsort war sie in der Funktion als Personal Assistent für zwei Anwälte tätig. Es gab einen Empfangsbereich mit Telefonzentrale. «Ich hatte fast keinen Kontakt mehr mit Klienten und konnte mich voll auf meine Arbeit konzentrieren.»

Zwei Jahre lang lief alles bestens. Mit den beiden Chefs hat sie sich sehr gut verstanden, sie durfte viel selbstständig arbeiten und dies wurde auch sehr geschätzt. Ausserdem fühlte sie sich wohl im Team, und sie konnte ihr Wissen als Praxisausbildnerin an Lernende weitergeben, kurz: «Es war eine extrem tolle Zeit, schlicht ein Traumjob.» Doch dann wurde bekannt, dass sich die geschäftsführenden Partner trennen wollten. Das habe ziemlich viel Unruhe in den Betrieb gebracht. Die einen Kolleginnen blieben, andere gingen. Von ihren beiden Vorgesetzten kündigte der eine, der andere legte ein Sabbatical ein. Sie bekam neue Chefs. Irgendwie ging es weiter, nicht schlecht, aber auch nicht mehr so gut wie vorher und weil sie keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr sah, überlegte sie erneut, wie es weitergehen könnte. Das Büro wechseln? Im Ausland arbeiten? Ein Studium an einer Fachhochschule beginnen? Dafür wäre die britische Matura akzeptiert worden. Eine Option wäre eine Weiterbildung zum Paralegal gewesen. Die Voraussetzungen dafür, fünf Jahre Berufserfahrung wobei die Lehre zur Hälfte angerechnet worden wäre, hätte sie damals erfüllt. Doch so ganz überzeugt war sie von der Funktion des Paralegals nicht: Nicht mehr Sachbearbeiterin, aber auch nicht Anwältin. Trotzdem hätte sie sich damals am ehesten für diese Weiterbildung entschieden, wenn da nicht plötzlich die Möglichkeit für ein Studium an einer Schweizer Universität aufgekommen wäre.

«Es war eine extrem tolle Zeit, schlicht ein Traumjob.»
Sarah Fritz über ihre Zeit in einer grossen Anwaltskanzlei:

Folgenreiche Entscheidung

Zunächst einmal habe sie eher ablehnend darauf reagiert. Sie musste sich gründlich überlegen, ob sie das noch auf sich nehmen wolle. «Andere Leute in meinem Alter gründeten eine Familie oder kauften sich eine Eigentumswohnung.»  Doch dann kam der Moment, als sie ganz genau wusste: «Ich muss es probieren.» Sie wollte die Aufnahmeprüfung machen, weil sie sich später nie vorwerfen wollte, dass sie es nicht wenigstens probiert habe. Nachdem sie abgeklärt hatte, dass es an der Uni Basel – Sara Fritz wohnt in Birsfelden – diese Möglichkeit nicht gibt, verfasste sie ein Motivationsschreiben und meldete sie sich an der Uni Bern zur Aufnahmeprüfung an. Vorausgesetzt, dass man mindestens 30 Jahre alt ist, kann man sich in Bern für alle ausser die Numerus-Clausus-Fächer bewerben.

Die Aufnahmeprüfung besteht aus zwei Teilen, einem allgemeinen und einem fakultätsspezifischen. Im ersten Teil musste Sarah Fritz einen Deutsch-Aufsatz verfassen sowie einen kognitiven Test absolvieren. Danach bekam sie Bescheid, dass sie auch zum zweiten Teil der Prüfung zugelassen würde. Dabei musste sie einen Text aus dem Französischen ins Deutsche übersetzen und einen kleinen Rechtsfall lösen.

Der Bescheid fiel positiv aus. Von Anfang an war klar, dass sie nicht pendeln wollte. Sie suchte sich in Bern ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft, auch an ihrem Wohnort lebt sie in einer solchen Wohnform. Es fehle ihr an nichts, aber ein Leben in Luxus sei natürlich nicht möglich. Aus diesem Grund, so vermutet sie, würden die Unis denn auch nicht überrannt mit Quereinsteigern. Wer will sich in diesem Alter schon auf Jahre hinaus für ein Leben in bescheidenen finanziellen Verhältnissen entscheiden!

«Andere Leute in meinem Alter gründeten eine Familie oder kauften sich eine Eigentumswohnung.»
Sarah Fritz über die Gedanken vor dem Studium:

Klare Ziele

Sara Fritz hat genau das getan. Und sie hat es noch keinen Moment bereut, wie sie betont.

Ihr nächstes Ziel ist der Bachelor in Rechtswissenschaft. Mit einem Bachelor in Betriebswissenschaft anschliessend möchte sie sich die Option offenhalten, später an einem Gymnasium oder einer Berufsschule Wirtschaft und Recht unterrichten zu können. Dass sie sich dieses zusätzliche Berufsziel vornimmt, hat auch damit zu tun, dass sie an der KV-Berufsschule einen sehr guten Wirtschafts- und Rechtslehrer erlebt habe, der das Fach mit viel Begeisterung unterrichtet hat. Das Jus-Studium will sie auf jeden Fall mit dem Master abschliessen. 

Sie empfindet ihren beruflichen Hintergrund durchaus als Vorteil. Mit der juristischen Fachsprache ist sie seit ihrer Lehrzeit vertraut. Gerade kürzlich habe ihr ein Betreuer bei einer schriftlichen Arbeit bezüglich Ihres Fachwortschatzes ein Kompliment gemacht. «Meine Laufbahn bis heute verlief nicht nach Plan A, oft musste ich mich mit Plan B begnügen, und trotzdem gibt es so etwas wie einen roten Faden. Das hängt auch damit zusammen, dass ich versucht habe, immer meinen Interessen zu folgen.»

Erstmals veröffentlicht: 15.11.2017
Aktualisiert: 27.1.2022

«Meine Laufbahn bis heute verlief nicht nach Plan A, oft musste ich mich mit Plan B begnügen, und trotzdem gibt es so etwas wie einen roten Faden.»
Sarah Fritz über ihre Karriere:

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